Macht der Gestank krank?

Die bange Frage stellen sich Nachbarn der Severinstraße in Willich seit einem Jahr — bisher ohne eine Antwort.

Willich. „Das erste Mal hat es im Februar 2012 im ganzen Haus ätzend gestunken.“ Seitdem kommt es immer wieder zu Geruchsbelästigungen, die nicht nur der Willicherin Heike Siemes das Wohnen im Viertel Severinstraße/Frankenseite/Krefelder Straße fast verleiden. Woher der unangenehme „chemische Geruch, ähnlich verbranntem Kunststoff“ ins Haus weht, glaubt Heike Siemes zu wissen.

Doch bei ihrem Bemühen, die Quelle der Geruchsbelästigung orten und eindämmen zu lassen, fühlen sich Familie Siemes und weitere Anwohner seit über einem Jahr irgendwie allein gelassen. Sie fürchten um ihr „gesundes und lebenswertes Wohnumfeld“. Bisher hat ihnen jedenfalls noch niemand schriftlich bestätigt, dass die Emission nicht gesundheitsschädlich ist, sagt Heike Siemes.

Die Willicher Bürger wandten sich zum ersten Mal Anfang Februar 2012 wegen des starken, unangenehmen Geruchs an das Ordnungsamt ihrer Stadtverwaltung. Hinweise und Beschwerden gingen außerdem an das Amt für Technischen Umweltschutz des Kreises Viersen, das von den Problemen in dem Wohnviertel seit dem 21. Februar 2012 weiß und danach fortlaufend informiert wurde.

Als im November 2012 der „wahnsinnige Geruch“, so Siemes, wieder deutlich zunahm, wurden Kreis und Stadt erneut kontaktiert. Emissionsmessungen hatte es bis dahin nicht gegeben, sagt Siemes.

Am 8. Februar 2013 hatte die Eigentümerversammlung Severinstraße/Frankenseite einen Gesprächstermin mit Sachbearbeiterinnen beider Verwaltungen. Dort ist auch das Flugblatt abgesprochen worden, das Siemes und zwei andere Familien am 21. Februar 2013 an Anwohner des Viertels Frankenseite, Severinstraße, Kiefernstraße und Krefelder Straße verteilt haben — mit der Bitte, eine Mitarbeiterin des Technischen Umweltamtes zeitnah zu kontaktieren und über Art und Zeitpunkt des Geruchs und die Windrichtung zu informieren.

Nach einem Polizeieinsatz am Abend des 23. Februar ist Bewegung in die Sache gekommen. Heike Siemes’ Ehemann und ein Nachbar hatten an jenem Samstag nach 21 Uhr die Beamten über eine erneute Geruchsbelästigung alarmiert und „schwarzen Qualm aus dem Schornstein“ des Betriebsgeländes von IMG (Institut für Materialprüfung Glörfeld GmbH, Frankenseite) gemeldet. Polizisten sahen sich vor Ort in Räumen der G + S GmbH, Gesellschaft für Labortechnik und Probenaufbereitung, um.

Die G + S GmbH nennt z. B. Pyrolyseprozess im „selbstentwickelten, Tüv-geprüften, umweltfreundlichen Veraschungsofen“ und das Schreddern, also das Vorzerkleinern von Leiterplattenschrott, in ihrer Firmenbeschreibung.

Die Beamten stellten fest, dass Elektroschrott geschreddert worden ist und meldeten ihre Beobachtungen dem Amt für technischen Umweltschutz (Kreis Viersen) weiter. Die Anwohner der Severinstraße mailten den Vorgang parallel der Stadt Willich.

Wer in dem Fall zuständig ist? Auf Nachfrage der WZ beim Kreis Viersen verweist Pressesprecher Axel Küppers an die Stadt Willich: „Wir haben in dem Fall nur eine begleitende, eine beobachtende Funktion. Die Stadt Willich hat die Fäden in der Hand.“

Andrea Ritter, Geschäftsbereich Wohnen und Gewerbe in der Willicher Stadtverwaltung, bestätigt zahlreiche und eine zunehmende Zahl von Anwohner-Beschwerden, will aber weitere Nachfragen mit Blick auf ein schwebendes Baugenehmigungsverfahren nicht beantworten.

Nur so viel: Für Räume, die die Firma G + S GmbH nutze, liege, sagt Ritter, bisher nur eine Genehmigung für eine Schlosserei vor. Die Genehmigung soll im Rahmen eines nachträglichen Verfahrens erweitert werden. Ritter: „Der Antrag der Firma G+S dazu liegt bei der Stadt Willich seit dem 27. September 2012 vor.“ Abschließend bearbeitet ist er noch nicht.

Was die Beschwerden der Bürger über die Geruchsbelästigung und die Frage möglicher Gesundheitsgefährung angeht, sieht Ritter die Kompetenz eher beim Kreis. „Uns fehlt die Kompetenz, um das fachlich zu beurteilen.“ Messungen der Emissionen in Willich habe es, bestätigt Ritter, bis heute nicht gegeben.

Auch das Landesamt für Umweltschutz, das z. B. Luftverunreinigungen in Nordrhein-Westfalen bewertet, ist bisher nicht eingeschaltet worden. Eine Ankündigung macht Andrea Ritter: „Das Schreddern von Elektroschrott wird der Firma G+S nun untersagt.“ Die Ordnungsverfügung sei in Vorbereitung, sagte sie.

13 Monate, nachdem der Gestank das erste Mal durch das Haus von Familie Siemes wehte, bleibt die Frage nach einer Gesundheitsgefährdung immer noch unbeantwortet. Anwohnerin Heike Siemes: „Das ist ein Gefühl der Ohnmacht. Man weicht unseren Fragen aus und geht auf unsere Ängste nicht ein.“