Tönisvorst „Mister Medeor“ wird 90 Jahre alt
Am 25. Dezember feiert Dr. Ernst Boekels Geburtstag. In seinem Leben hat er viel bewegt.
Vorst. Ernst Boekels weiß, was Not ist. „Als ich elf Jahre alt war, starb meine Patentante und hinterließ neun Kinder“, erzählt der Mediziner, der sich noch gut daran erinnert, wie schwer es die Familie ohne die Mutter hatte. Sechs Jahre später litt der damals 17-Jährige selber große Not. Er war Ende 1944 noch als Soldat eingezogen worden und lag im kalten Winter ohne Verpflegung und Unterschlupf bei Remagen auf freiem Feld.
Den Krieg überlebte der junge Mann ohne Verletzungen, die amerikanische Gefangenschaft endete nach acht Wochen im Juni 1945. „Dann konnte ich wieder zurück nach Krefeld auf den Hof meiner Eltern“, erzählt der Senior, der ganz viele Geschichten, Namen und Daten noch präsent hat. Überhaupt ist Ernst Boekels geistig topfit und auch seinen schelmischen Humor hat der fast 90-Jährige nicht verloren. „Ich hatte schon immer einen Hang zur Massenproduktion“, erzählt er etwa und berichtet von Unmengen an Bleisoldaten, die er als Junge aus alten Regenrohren hergestellt hat.
So richtig zum Tragen kam dieser „Hang“ aber erst viele Jahre später, als der Mediziner von zwei russischen Ärztinnen erfuhr, die in Indonesien Medikamente in Eigenproduktion herstellten. „Ich dachte, das können wir auch und habe mich klug gemacht.“ Zuvor hatte Boekels schon ein paar Rückschläge erlebt, die ihn aber, wie auch später im Leben, nicht von seinem Weg abbrachten. „Ich hatte schon 1956 als junger Krankenhausarzt im Sauerland kostenlose Ärztemuster für die Versorgung der Menschen gesammelt, die nach dem Ungarnaufstand nach Österreich und Deutschland geflüchtet waren“, erzählt Boekels.
Er schickte die Muster an eine Zentralstelle, die sie an die Flüchtlinge verteilte. „Ich bekam einen Dankesbrief mit dem Hinweis, von weiteren Aktionen dieser Art abzusehen, weil die Ungarn die Beipackzettel nicht lesen konnten“, berichtet der Jubilar. Als sechs Jahre später ein Pater der Styler-Mission in Vorst um Spenden für Flores in Indonesien bat, organisierte Boekels eine Altkleidersammlung. „Ich habe beim Schreiner 30 Kisten anfertigen lassen, sie mit den gesammelten Kleidungsstücken gefüllt und an den Orden geschickt“, erinnert sich der Senior.
Die Styler-Mission war wenig begeistert: „Als Arzt sollten Sie sich schämen, alte Klamotten zu schicken. Schicken Sie lieber Medizin“, schrieb Pater Adam Nottebaum aus Sankt Augustin. Boekels nahm sich das Schreiben zu Herzen und begann wieder Ärztemuster zu sammeln — natürlich auch das im ganz großen Stil. Als das Vorster Jugendheim für die Lagerung der Medikamente zu klein wurde, mietete er einen Saal auf der Kuhstraße. „300 Mark Pacht hat das gekostet.“ Dort sortierten Ehrenamtlerinnen die Ärztemuster alphabetisch und verpackten die Medikamente in Pakete, die zur Mission geschickt wurden.
Von dort gingen die Arzneien in afrikanische Länder, auf die Philippinen, nach Indien und Indonesien. Aber: Die Arzneimittel aus Deutschland wurden im Ausland nicht gebraucht. Statt Hustensaft waren Mittel gegen Lepra, Cholera und Malaria gefragt. „Als ich dann von den russischen Ärztinnen hörte, die die Medizin selber machen, habe ich beschlossen, das auch zu tun“, erzählt Boekels. Damit war action medeor geboren, und Ernst Boekels hatte Vorst „auf die Landkarte gesetzt“, wie ihm einst ein philippinischer Bischof sagte.
Mehr als 20 Jahre lang war der Gründer auch der Vorsitzende des Hilfswerks, das lange ehrenamtlich arbeitete. Heute, gut 50 Jahre später, gibt es immer noch 60 Ehrenamtler, die sich bei action medeor einbringen, aber auch rund 50 Hauptamtler, die die Organisation führen, Zweigstellen in Tansania und Malawi aufgebaut haben und vor Ort pharmazeutische Ausbildungen anbieten. Der Jubilar beobachtet mit Wohlwollen, was aus seinem „Baby“ geworden ist. Noch wichtiger aber sind ihm seine vier Kinder, Schwiegerkinder und die „4,8 Enkel“, wie Boekels sagt. „Das fünfte kommt erst im März, deshalb 4,8“, erklärt der fast 90-Jährige mit schelmischem Lächeln.