St. Tönis: Familienleben mit Krabbeltieren
Torsten und Natalie Schmitz züchten Gottesanbeterinnenin ihrer Wohnung.
St. Tönis. Wer das Wohnzimmer von Natalie und Torsten Schmitz in St. Tönis betritt, der bleibt automatisch erst einmal vor der langen Terrarienwand stehen. Und fragt sich, was denn in den Glaskästen, die mit verschiedenen Materialien ausgestattet sind, Lebendiges drin ist. Auf den ersten Blick geben die Tierchen ihr Geheimnis jedoch nicht preis. Dafür ist ihre Tarnung viel zu gut.
Lauter verdörrte Blätter scheinen an einem vertrockneten Ast zu hängen. Doch auf den zweiten Blick wird klar: Es sind zwar auch Blätter vorhanden, aber inmitten der Szenerie hängen Gottesanbeterinnen an den dünnen Ästen - und zwar sogenannte Wandelnde Geigen. "Hier sind allein zehn Tiere drin. Man muss schon genau hinschauen, um sie alle zu entdecken", erklärt Torsten Schmitz.
Ein Stückchen weiter hat es sich eine Blütenmantide in ihrem mit Moos gefüllten Terrarium bequem bemacht. Wie ein Ast sieht dagegen die Stabschrecke aus. Daher werde sie auch gerne wandelnder Ast genannt, wie der St. Töniser sagt. Mantiden heißen die Fleischfresser unter den Gottesanbeterinnen, Phasmiden die Pflanzenfresser.
Die Liebe zu den doch eher ungewöhnlichen Haustieren entdeckte Torsten Schmitz im Jahr 1999. "Ich bekam von Freunden, die in Urlaub fuhren, ein Terrarium hingestellt mit der Bitte, doch auf die Gottesanbeterinnen aufzupassen", erinnert sich der 38-Jährige. Er habe damals überhaupt keine Ahnung von den Tieren gehabt. Beim ersten Füttern mit den Fruchtfliegen seien 90 Prozent in der Wohnung herumgeschwirrt und nicht als Futter im Terrarium gelandet.
Als dann auch noch kleine Gottesanbeterinnen aus Eiern schlüpften, die Torsten Schmitz zunächst für Ameisen hielt, war es um ihn geschehen. Die erste Fachliteratur zog ein und als die Freunde ihr Terrarium wieder abholten, behielt er fünf der kleinen Mantiden. Der Beginn einer großen Leidenschaft.
Heute hat er 14 verschiedene Arten und ist mittlerweile ein Profi in der Haltung und Aufzucht geworden. Neben Ehefrau Natalie hat er auch schon den 18 Monate alten Sohn Giulien mit seiner Leidenschaft infiziert. Er hat eine eigene Gottesanbeterin namens Erna. "Wenn ich Giulien eine Dose Heimchen und ein Pinzette gebe, fängt er Heimchen für seine Erna", sagt Torsten Schmitz.
Ein bis zwei Stunden ist der Fachmann jeden Tag mit seinen Mantiden und Phasmiden sowie deren Nachwuchs beschäftigt. Die Gelege der Tiere, die Oothken, müssen besprüht werden, die geschlüpften Gottesanbeterinnen kommen in Aufzuchtboxen, Fliegenbrei muss für die eigene Futteranzucht der Fruchtfliegen gekocht beziehungsweise angesetzt werden, die Fütterung an sich - Langeweile kennt Torsten Schmitz nicht. "Die Gottesanbeterinnen zu beobachten, ihr Futterverhalten, ihre Tarnung, das fasziniert einfach", erklärt er voller Begeisterung und macht sich an die nächste Arbeit.
Die Kubanischen Blattschrecken sind heute geschlüpft und müssen auf Brombeerblätter umgesetzt werden. Wenn er heute seine Tiere im Terrarium mit Fruchtfliegen füttert, hauen nicht mehr so viele ab und schwirren im Wohnzimmer umher wie noch zu Anfangszeiten.