St. Tönis: Rundfahrt mit Leiterwagen soll Engpässe aufzeigen Leiterwagen muss durchs Nadelöhr
St. Tönis · Bei einer abendlichen Rundfahrt notieren Feuerwehr und Ordnungsamt der Stadt Bereiche, die im Ernstfall für Rettungsfahrzeuge nicht oder nur schlecht passierbar sind.
Montagabend, Mühlenstraße 51, kurz nach 19.30 Uhr. Stadtbrandinspektor Frank Meier startet den Motor. Das Führerhaus des Leiterwagens vibriert. Die dröhnende Lautstärke übersetzt Kraft und Gewicht des Fahrzeugs. Gut einen Meter ragt die ausfahrbare Leiter auf dem Dach über die Windschutzscheibe hinaus. Zwei Personen haben neben dem Fahrer Platz. Das ist kein Zustieg in einen Kleinwagen. Für einen Otto-Normal-Verkehrsteilnehmer ist in diesem Fahrzeug alles überdimensioniert: Länge, Sitz- und Sichthöhe, der Abstand zwischen Fahrer- und Beifahrertür…
„Dann mal los.“ Frank Meier zirkelt das Fahrzeug aus der Halle des St. Töniser Feuerwehrgerätehauses. Er muss durch eines der engeren Tore. Neben den Außenspiegeln hat er nur weinige Zentimeter Platz. Die Engstelle ist dennoch nicht mehr als eine Auflockerungsübung für die bevorstehende „Bewegungsfahrt“.
In Wohngebieten haben die
Straßen oft nur Mindestbreite
Feuerwehr und Ordnungsamt der Stadt Tönisvorst haben sich für diesen Werktagabend verabredet. Sie wollen die Situation im Pipper-Wohnviertel in Augenschein nehmen. Was, wenn es brennt? Ist die ungehinderte Zufahrt für Löschfahrzeuge möglich? Sind die Rettungswege frei? Wo sind Straßen zugeparkt? Ralf Jeromin, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung, hat Kopien von Kataster-Plänen dabei. Er fährt im Wagen von Feuerwehrchef Rolf Peschken vorweg. Seine Kollegin Helene Rothenberger nimmt neben Meier im Leiterwagen Platz.
Zwei Informationen gibt’s vorweg: „In verkehrsberuhigten Zonen darf man nur auf ausgewiesenen Flächen parken. In Tempo-30-Zonen überall dort, wo kein Parkverbot gilt. „Das sieht heute gut aus“, sagt Rothenberger bei der Einfahrt in den Bereich Gerhart-Hauptmann-Straße, die sich wie ein Ring um diese innerstädtische Wohnbebauung legt. Jeromin weiß um die Probleme, die vor allem Wohngebiete – gebaut ab 1990 – für die Feuerwehr zuweilen darstellen. Straßen sind nicht breiter als die Mindestvorgabe. Verkehrsberuhigende Maßnahmen kommen als zu umfahrende Hindernisse hinzu.
Kurz darauf stoppt Meier an einer T-Kreuzung, die, korrigiert Rothenberger, als „Einmündungsbereich“ zu bewerten ist. Die drei Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite dürfen daher entlang des Bordsteins parken. Meier soll nach links abbiegen. Aber auf der linken Straßenseite parken zwei Wagen. Sie lassen den Radius, den der Leiterwagen benötigt, nicht zu. Meier kann nicht durchziehen. Er rangiert, nimmt Augenmaß. Passt es? Er rollt schließlich in einer Geschwindigkeit, die fast Stillstand bedeutet, zwischen den Wagen hindurch. Millimeterarbeit am Steuer. Ein Blick in den oben über der Beifahrertür angebrachten „Bordsteinspiegel“ zeigt: Zwischen Leiterwagen und Autoblech hätte kaum ein Daumen mehr gepasst.
Autofahrer kalkulieren beim Parken kein Großfahrzeug ein
„Die Hilfefrist ist so nicht einzuhalten“, stellt Rothenberger fest. Meier nickt, nachdem er das Nadelöhr souverän, aber in Zeitlupe passiert hat. Jeromin nimmt seine Kladde zur Hand. Auch er stellt fest: „Viel zu eng. Für diesen Bereich werde ich ein Halteverbot vorschlagen.“ Er bereitet die Vorlage für den nächsten Bau- und Verkehrsausschuss vor. Vier, fünf Parkplätze, schätzt er, würden wegfallen. Ein Pfund für ein Gebiet wie das Pipper-Viertel. Autofahrer kalkulieren beim Parken Platz für vorbeifahrende Wagen der Nachbarschaft ein, nicht aber die Durchfahrt von Großfahrzeugen wie etwa der Feuerwehr. „Und wir können im Einsatz nicht auf den Abschleppwagen warten“, sagt Meier.
Freie Parkplätze sieht man an dem Abend so gut wie nicht. Freie Einfahrten vor Garagen auch nicht. Würden sie zum Abstellen von Autos und nicht als Abstellfläche für Hausrat und anderes genutzt, würde das bereits Entlastung andeuten. Aber, stellen Jeromin, Rothenburger und Peschken einhellig fest: „Wir haben auch nicht mehr die 1960er Jahre, in denen vielleicht jeder dritte Haushalt einen Wagen hatte. Heute kommen auf einen Vier-Personen-Haushalt häufig drei Autos.“
Peschken lässt Meier auf der Straße ein Stück weiter zwischen zwei Parkreihen halten und die Beifahrer aussteigen. „Schauen Sie mal. Wenn es in diesem Haus brennen würde und wir hier an unsere Atemschutzgeräte ran müssten, hätten wir schon zu wenig Platz zum Arbeiten.“ Peschken steht mit dem Rücken dicht an dem Kotflügel eines geparkten Wagens. Mehr als ein Spalt ist kaum da, um die Ausrüstung aus dem Einsatzwagen zu ziehen. „Bedenken Sie, dass wir das jetzt in Ruhe machen. Unter Einsatzbedingungen muss es schnell gehen. Also: Drei Meter Platz brauchen wir zum Arbeiten.“ Hier sind sie nicht.
Auffallend viele Fahrzeuge stehen mit zwei Reifen auf den Bürgersteigen, wohl in der Absicht, die Fahrspur offener zu halten. Erlaubt ist das nicht. Peschken steuert Meier weiter durch die Stadt. Man biegt in die Burgstraße ein, die von der Geldener Straße Höhe Seniorenheim abgeht. Die kleine Wohnstraße mündet in einen Wendehammer. Er ist an diesem Abend ein Parkplatz. Sechs Autos stehen dort. Meier kann den Leiterwagen nur halb hineinfahren, muss rückwärts in eine Einfahrt setzen, um wieder in Fahrtrichtung zu kommen. „Hier müssen wir mal überlegen, was wir machen“, sagt Jeromin und macht sich Notizen. Es ist ein schmaler Grat, auf dem er sich bewegen muss: Das Einhalten der Sicherheit auf der einen Seite und das Abwägen der Situation in Parkraum-armen Gebieten.
An diesem Abend nimmt Ralf Jeromin zwei Punkte mit, für die er Parkverbote vorschlagen will. Insgesamt würde das den Wegfall von wohl zehn Parkplätzen bedeuten. Frank Meier versteht Klagen von Anwohnern. Aber er weiß auch: Sicherheit geht vor. Leute, die ihre Autos ungünstig abstellen, „gefährden unter Umständen sich selbst“.