Szenische Lesung Lesung kommt erst spät in Gang

St. Tönis. · Die Darbietung Leslie Maltons und Felix von Manteuffels in St. Tönis wurde nur teils dem Versprechen „Szenische Lesung“ gerecht.

Den Auftakt der Kulturreihe „Götterspeise“ bildeten die Schauspieler Leslie Malton und Felix von Manteuffel mit Texten von Alberto Moravia in der evangelischen Kirche St. Tönis.

Foto: JA/Lübke, Kurt (kul)

„Wenn Sie sie sehen, kennen Sie sie“, stellt Daniela Büscher-Bruch, Pfarrerin der evangelischen Christusgemeinde St. Tönis, die Protagonisten des Abends den etwa 80 Gästen vor. Und tatsächlich: Jeder hat Leslie Malton und Felix von Manteuffel schon einmal gesehen, denn beide haben in den vergangenen Jahren in etlichen Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt.

Die Schauspieler eröffneten die neue Spielzeit von „Götterspeise“, eine Kulturreihe, die die evangelische Kirchengemeinde gemeinsam mit der Krefelder Kulturagentur Schneider-Watzlawik ins Leben gerufen hat. Unterstützt wird das Programm, das pro Spielzeit vier Kulturabende in dem atmosphärischen Gotteshaus an der Hülser Straße anbietet, außerdem vom Stadtkulturbund Tönisvorst.

Die beiden Schauspieler sparten sich die Begrüßung des Publikums

Die beiden Protagonisten des Abends betreten unter Beifall den Altarraum und beginnen, ohne sich mit einer Vorstellung oder Begrüßung der Zuhörer aufzuhalten, direkt mit dem ersten Text. „Der Tisch aus Birnbaum“ heißt die Geschichte, die Felix von Manteuffel vorliest. Entnommen ist die Novelle, wie die anderen Kurzgeschichten des Abends auch, dem Buch „Ach, die Frauen“, eine Auswahl der Erzählungen von Alberto Moravia, einem italienischen Schriftsteller, der zu den Klassikern des 20. Jahrhunderts zählt.

Seinen literarischen Höhepunkt hatte Moravia in den 1940er und 1950er Jahren, was den Texten teilweise anzumerken ist. Das Leitmotiv der Erzählungen ist die Liebe. Wie gewinnt man sie, wie verteidigt man sie, wie geht sie verloren? Besonders scheint den Autor, der 1990 starb, interessiert zu haben, warum Mann und Frau zu einem Paar werden, was sie beieinander hält, was sie voneinander abstößt.

In den sechs 15- bis 20-minütigen Geschichten, die Malton und von Manteuffel vortragen, schildert Moravia die Schicksale seiner Paare drastisch, lebendig, unsentimental und teilweise heiter. Und weil die erzählende Person mal als Mann, mal als Frau auftritt, werden beide Seelenseiten beleuchtet. In St. Tönis übernimmt von Manteuffel die Texte, in denen der Erzähler männlich ist, Leslie Malton liest die Texte der weiblichen Erzählerin vor.

Der Funke sprang erst
spät auf das Publikum über

Obwohl sich die Stimmen der beiden sehr unterscheiden – von Manteuffel hat einen brummenden Bass, während die Stimme von Leslie Malton klar und hell wie Glas klingt – wirkt die Lesung zunächst steif und statisch, zumal beide hinter schwarz eingepackten Stehtischen sitzen. Zwar suchen beide immer wieder den Blickkontakt mit den Zuhörern, und besonders Leslie Malton unterstreicht einige Sätze mit lebendiger Gestik, aber insgesamt verdient diese Art des Vertrags den Titel „szenische Lesung“, mit dem der Abend überschrieben war, nicht.

Dann aber brechen die Schauspieler, die übrigens seit vielen Jahren ein Paar sind, die Statik auf, lesen die Dialoge in den Texten mit verteilten Rollen und bewegen sich durch den Altarraum, wie durch die Zimmer der Wohnung, in der die Handlung spielt. Und so hält der Abend doch noch, was das Programm verspricht, und die Gäste fühlen sich am Ende des zweistündigen Programms gut unterhalten.