Die WZ öffnet Türen Trafohäuschen in Anrath bietet Zuflucht in der Not

Die „Ladestation“ am Bahnhof in Anrath ist eine Einlade-Station — so gemütlich, wie sie eingerichtet wurde.

Anrath. Notschlafstelle. Das klingt nach harter Pritsche, Strohschlafsack und eiskaltem Wasser. Die Wirklichkeit sieht am Bahnhof in Anrath aber ganz anders aus. In einem ehemaligen Trafohäuschen ist dort die „Ladestation“ entstanden. Sie ist ein gemütliches Domizil auf (kurze) Zeit für obdachlos gewordene junge Menschen aus Willich.

Foto: Kurt Lübke

Wohnzimmer. Schlafzimmer. Küche. Bad. Und das alles auf nur 17 Quadratmetern. Kaum zu glauben, dass so etwas geht. Doch ein Blick hinter die verrostete Metalltür, die Marion Tank geöffnet hat, zeigt, wie gut das geht. Wenn man denn mit genug Kreativität an ein solches Projekt rangeht. „Jeder Besucher, der hierher kommt, sagt sofort: Hier würde ich einziehen“, erzählt die Willicher Streetworkerin und lächelt.

Das Innere der Tür ist mit Holz verkleidet worden, was sie gleich viel wohnlicher macht. Beim Abriss der benachbarten Verseidag konnte ein Fenster gerettet werden. Das wurde zweigeteilt, rechts und links von der Tür eingebaut und erhellt nun den kleinen Raum.

Die hölzerne Einbauküche ist aus gestrichenen Europaletten zusammengebaut worden, ihre einzelnen Elemente stehen auf Rädern und können leicht verschoben werden. Schön und praktisch. Ein kleiner Tisch besteht aus zusammengeschweißten Wasserrohren. Am Hochbeet kommen Bretter von Marion Tanks ehemaligem Gartenzaun zum Einsatz. Zwei Eisenstangen sichern die Wände gegen Setzrisse, eine davon dient gleichzeitig als Gardinenstange. Und die Schiebetür zum Bad (mit Dusche) stammt aus einer alten Scheune.

„Das sieht hier alles sehr hochwertig aus, aber es steht nichts Wertvolles drin“, betont Marion Tank. Ganz viele Handwerker hätten bei der Realisierung des Projekts geholfen, indem sie Material spendeten und beim Umbau ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten. „Das ist einfach nur toll. Ich bin unheimlich dankbar für die ganze Unterstützung“, freut sich Tank bis heute. Auf ihre Initiative hin war das Projekt realisiert worden.

Im vergangenen Juni wurde die Notschlafstelle eröffnet — und seitdem ist sie — bis aus ein Wochenende — ununterbrochen belegt. Klickparkett, Elektrofußbodenheizung, Fernseher, Couch und Kühlschrank warten auf die jungen Bewohner zwischen 18 und 27 Jahren. „Bisher waren hier nur junge Frauen untergebracht, obwohl ich mehr junge Männer unter meinen Leuten habe“, berichtet die Streetworkerin.

Die Bewohner schließen mit Marion Tank einen Nutzungsvertrag. Maximal sechs Wochen sollen sie in der „Ladestation“ leben. So zumindest sah die ursprüngliche Idee der Streetworkerin aus. Doch das Konzept sei „nicht in Stein gemeißelt“: Nach einigen Monaten Erfahrung weiß Marion Tank, dass dieser Zeitraum meist nicht ausreicht, um in Willich eine Wohn-Alternative für die jungen Erwachsenen zu finden. „Es fehlen in der Stadt kleine, bezahlbare Wohnungen. So 20 bis 25 Quadratmeter würden schon reichen“, berichtet Tank. Die Notschlafstelle am Bahnhof zeigt, was auch auf kleinstem Raum alles möglich ist.

„Ich habe hier noch keinen Ärger gehabt“, sagt Marion Tank und blickt zufrieden auf die ersten Monate der „Ladestation“ zurück. Das Backsteinhäuschen, das nur wenige Schritte vom Jugendtreff „Rampenlicht“ entfernt liegt, hat sich als Mini-Wohnung bewährt. Nur schade, dass es nicht noch mehr davon gibt . . .