Turmbläser haben ein treues Publikum
Erster Weihnachtsfeiertag, später Nachmittag: Am Schloss Neersen spielen zwölf Musiker vor fast 200 Zuhörern.
Neersen. Auweia, das sah zunächst gar nicht gut aus: Kurz vor 17 Uhr setzte am ersten Weihnachtsfeiertag starker Regen ein. Zwölf Turmbläser hatten sich über immer schmaler werdende Treppen und zuletzt über eine wackelige Leiter auf den mit Scheinwerfern ausgeleuchteten Turm der Vorburg von Schloss Neersen aufgemacht. Sie hievten ihre Blechblasinstrumente nach oben und blickten schließlich auf eine verschwindend geringe Zahl von Besuchern. Sollte ein alter Brauch im wahrsten Sinne des Wortes baden gehen?
Aber dann geschah ein kleines Wunder: Es hörte auf zu regnen, und auf einmal waren da zwischen 150 und 200 Menschen, lauschten den Weihnachtsliedern, tranken einen Glühwein und freuten sich über die Abwechslung zwischen Kaffee und Kuchen und dem Abendessen.
Unter den Turmbläsern waren diesmal zwei Bläserinnen: Karin Larsen und Ingrid Ortzonzek. Stefan Mang aus Neersen machte zum ersten Mal mit — der 46-Jährige war spontan dazugekommen.
Zum zweiten Mal mit dabei und der Jüngste: Marcel Sahm (22) aus Viersen. „Das Leben ist hart und ungerecht“, klagte Turmbläser-Urgestein Volker Hufschmidt angesichts des ungemütlichen Wetters. Auch wieder mit dabei: Karl-Heinz Burbulla aus Schiefbahn und Manfred Gumbinger aus Neersen.
Los ging es mit einer Intrade von Telemann. Weihnachtslied-Klassiker folgten. Aufmerksamen Ohren entging nicht, dass die große Besetzung noch nicht optimal aufeinander eingespielt war, was aber niemanden ernsthaft störte. Der Präsident der Neersener St. Sebastianer, Robert Brintrup, hatte sich eine orangefarbene Schürze umgebunden und war ein offensiver Verkäufer: „Was können wir Ihnen anbieten?“ Es gab Kakao oder Glühwein mit und ohne „Schuss“, wobei der „Schuss“ für eine Amaretto-Beigabe stand. Am Schluss waren rund 80 Liter Glühwein ausgeschenkt worden.
So hoch der Stellenwert der Kommunikation auch war: Ein Thema — der Wahlefeldsaal — war bei den Schützen tabu. Trotzdem scherzte ein Besucher: Man könne die Turmbläser einige Hundert Meter weit hören — ob da nicht eine neue Klage drohe?
Die Belohnung für die Turmbläser: Reichlich Applaus und eine Flasche Burekorn, die im Treppenaufgang der Vorburg bereitstand.