Willich: Nachgehakt - Corleone am Niederrhein
In einem Buch wird Willich zur Mafia-Hochburg.
Willich. Corleone kennen die meisten aus der Verfilmung von Mario Puzos Roman "Der Pate". Bis heute gilt der Ort auf Sizilien als Hochburg der Mafia. Dass jedoch auch Willich am Niederrhein zu den Mafia-Hochburgen zählt, ist neu. Behauptet hat das die Journalistin Petra Reski.
Die in Venedig lebende Frau gilt als Mafia-Expertin. 2008 hat sie ein Buch mit dem Titel "Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern" veröffentlicht.
Ihr neues Werk heißt "Von Kamen bis Corleone" und setzt sich mit der "Mafia in Deutschland" auseinander. Wie an einer Perlenkette reiht sie darin die Niederlassungen der Verbrecherorganisation in Deutschland auf: Köln, Gevelsberg, Stuttgart, München, Kempten - und eben auch Willich.
Wie Reski munter erzählt, lebte 30Jahre lang ein Bruder des berüchtigten Mafia-Bosses Bernardo Provenzano (über 50 Morde soll er auf dem Gewissen haben, 2006 wurde er nach langer Flucht verhaftet) in Willich - "in einem gemieteten Reihenhaus", wie es im Buch heißt.
Neu ist das allerdings nicht: Schon 2002 hatte die WZ berichtet, dass Provenzanos Bruder Simone in den 60er Jahren nach Deutschland gekommen war. Er arbeitete bei Thyssen in Krefeld, lebte in Willich, wurde stets von der Polizei beobachtet. Ein Kontakt zu seinem Bruder konnte ihm nie nachgewiesen werden.
Soweit die bekannten Tatsachen. Die Petra Reski aber nicht reichen. Ihre These ist: Hinter der scheinbar harmlosen Fassade des Gastarbeiters steckte mehr.
Zum Beweis zitiert sie einen abtrünnigen Mafioso. Demnach gehe es der Cosa Nostra darum, in Deutschland Beziehungen zu knüpfen - so auch im Fall von Simone Provenzano. Sie berichtet von den Söhnen des Mafia-Bosses, die zeitweise in Deutschland lebten und sicher "ab und zu" Kontakt zu ihrem Onkel in Willich gehabt hätten.
Und sie erzählt von einem Weihnachtsfest in Willich, bei dem ein Großaufgebot der Polizei den (heimlichen) Besuch von Bernardo Provenzale bei der Familie erwartet habe - allerdings vergeblich.
Es wird klar: Die Faktenlage ist dünn. Dafür erklärt Petra Reski in einem Interview der "Westfälischen Allgemeinen", "Willich in der Eifel" sei "ein guter Ort für konspirative Treffen der Bosse". Wenn besagte Bosse allerdings in der Eifel nach Willich suchen, werden sie kaum fündig werden.
Doch gibt es ihn nun tatsächlich, den Mafia-Einfluss in Willich? Der Bruder des "Paten" lebt jedenfalls nicht mehr an der Ackerstraße. Im Buch heißt es dazu, er sei als Rentner nach Corleone zurückgegangen. Mehr erfährt man von Reski nicht.
Bei der Polizei allerdings auch nicht. Zwar spricht Frank Scheulen vom Landeskriminalamt im Zusammenhang mit den Thesen Reskis von "schriftstellerischer Freiheit" - Fakten zum Thema kann (oder will) er aber auch nicht beisteuern.
Und der Kreispolizeibehörde in Viersen sowie der Kripo in Mönchengladbach ist von Mafia-Aktivitäten in Willich schlicht "nichts bekannt". Corleone liegt offenbar also noch nicht am Niederrhein.