Willich: Von der Steinzeit zu den Römern
„1000 Jahre Anrath“ – das Jubiläum hat die Geschichte der ganzen Stadt ins Blickfeld gerückt. Historiker Hans Kaiser stellt die Entwicklung von der Steinzeit bis zur Gegenwart dar.
Willich. Das heutige Stadtgebiet von Willich zog erst spät Menschen zur dauerhaften Bleibe an. Anders als in den fruchtbaren Lössgebieten zwischen Köln und Aachen gab es während der Steinzeit am unteren Niederrhein kaum sesshafte Bauern. Dafür strichen Nomaden durchs Land, die sich von der Jagd ernährten - und vom Sammeln von Früchten.
So fand in Willich die Steinzeit, salopp gesagt, per Streifzug statt. Zwar gibt es zahlreiche Funde steinzeitlichen Lebens, aber meist nur einfache Splitter (Abfälle bei der Werkzeugherstellung) und Feuersteinklingen. Erst als der Römer Julius Cäsar 56 vor Christus mit einer Invasionsarmee vorstößt, gibt es Berichte über eine dichtere Bevölkerung: Germanen.
Das Willicher Gebiet war wohl nicht, wie man bisher glaubte, von germanischen Eburonen besiedelt, sondern von Ubiern, deren Hauptort Köln war und die mit den Römern auf gutem Fuße standen. Die Massaker und weiträumigen Verwüstungen, die Cäsar bei seinen Feldzügen in feindlichem Gebiet befahl, haben hier also wohl nicht stattgefunden.
Während der Römerzeit war der Willicher Raum viel dichter besiedelt als in der Bronze- und Eisenzeit und nachher im frühen Mittelalter. Die meisten Fundstellen stammen aus dem 2.und 3. Jahrhundert nach Christus - und kommen am intensivsten nordwestlich des Willicher Ortskerns vor, hauptsächlich also auf der Münchheide, wegen der dortigen guten Böden. Aber auch wegen der römischen Heerstraße, die auf dem Weg vom Kastell Gellep (bei Linn) schnurgerade an den Votzhöfen und der Münchheide vorbei Richtung Tongern lief. Von dieser Römerstadt in den heutigen Niederlanden wurden die Truppen am Rhein mit Nachschub versorgt.
Ein Straßen-Rest fand sich 1969 in Neersen: Eine Holzbrücke, die damals über einen Seitenarm der Niers führte. Wahrscheinlich wurde sie um 70 nach Christus gleichzeitig mit dem Gelleper Kastell gebaut.
Wie haben die Menschen zur Römerzeit im Willicher Gebiet gelebt? Größtenteils war die Bevölkerung germanisch, doch wurde sie im Laufe der Zeit romanisiert, nahm mehr und mehr Kultur, Sprache und Gepflogenheiten der Besatzung an.
Aber es hat nicht nur germanische Einzelhöfe gegeben, sondern auch größere Gutshöfe nach römischem Vorbild, sogenannte "Villae rusticae". Ihre Gebäudekomplexe bestanden aus einem größeren Wohnhaus, aus Wirtschaftsbauten und Werkstätten. Diese Zentren waren von einem Kranz germanischer Gehöfte umgeben. Drei solcher Herrengüter lagen in der Münchheide, zwei bei den Streithöfen. Die Lebensmittel, die sie produzierten, werden die Soldaten versorgt haben, die den Rhein gegen das unbesetzte Germanien hüteten.
Fränkische Eroberer setzten der Römerzeit ein Ende. Deren Siedlungsstellen ließen sie zwar links liegen, nahmen aber größtenteils die römischen Ackerflächen unter den Pflug - wegen der guten Bodenqualität und der Erschließung durch die alte Heerstraße. Fortsetzung folgt