Intensivmedizin Ruf nach Triage-Gesetz

Düsseldorf · Die Auswahlkriterien für die Triage sollte der Bundestag selbst festlegen. Und die Verantwortung für diese Entscheidung über Leben und Tod nicht allein bei den Ärzten abladen.

Ein Patient auf einer Corona-Intensivstation. Foto: dpa

Foto: dpa/Fabian Strauch

Es ist ein unheilvolles Nichtstun des Bundestags in Sachen Triage. Also hinsichtlich der Frage: Welcher Patient hat bei knappen intensivmedizinischen Kapazitäten das Recht auf Behandlung? Welcher hat das Nachsehen? Auf dieses Unterlassen reagiert das Deutsche Institut für Menschenrechte nun mit einem berechtigten Appell: Der Gesetzgeber dürfe nicht auf ein Urteil des Verfassungsgerichts in dieser Frage warten, sondern müsse selbst aktiv werden.

Es geht um Verfassungsbeschwerden von Behinderten und Vorerkrankten. Sie befürchten, dass sie bei nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehenden Intensivplätzen hintanstehen müssen. Weil bei ihnen die Erfolgsaussichten intensivmedizinischer Behandlung schlechter sein können. „Erfolgsaussicht“ ist nämlich eines der derzeit geltenden Auswahlkriterien. Kriterien, die nicht etwa auf einem Gesetz beruhen, sondern auf den Vorgaben ärztlicher Leitlinien. Darin heißt es, dass bei knappen Ressourcen diejenigen Patienten nicht intensivmedizinisch behandelt werden, die nur eine sehr geringe Aussicht haben zu überleben. Wie gesagt, die Sache liegt schon seit kurz nach Beginn der Pandemie in Karlsruhe. Angesichts des immer dringlicher werdenden Problems ist es verantwortungslos, die Ärzte ohne gesetzliche Leitplanken mit dieser Frage allein zu lassen. Der Bundestag darf sich nicht länger davor drücken, selbst Regeln aufzustellen, an denen sich Ärzte dann orientieren können. Natürlich würde es bei der Debatte über solche Fragen um Leben und Tod auch darum gehen, ob vielleicht dies ein Kriterium sein darf: Wer sich, obwohl er es konnte, nicht impfen ließ, soll dann bitte im Fall des Falles anderen den Vortritt bei der Behandlung lassen: nämlich denen, die sich durch Impfung um ihre Gesundheit gekümmert haben. Auch wenn viele Geimpfte eine solche Regelung befürworten dürften – sie wird nicht kommen. Denn der Zugang zu ärztlicher Behandlung kann nicht daran anknüpfen, ob jemand „schuldhaft“ seine Gesundheit geschädigt hat. Wollte man damit anfangen, müssten auch Raucher, Autoraser, Skifahrer zurückstehen. Ärzte sind keine Richter, die vor der Behandlung ihrer Patienten Erwägungen über Schuldfragen anstellen.