Achtung, die Möhnen sind auf Krawattenjagd!
Möhne Simone Gartz ist seit 20 Jahren im jecken Einsatz. Heute, an Altweiber, ist kein Schlips vor ihr sicher.
Dülken. Das schwarze Kleid ist gewaschen und an einigen Stellen repariert, Tröte, Schnapsglas, Schere und Orden sind geputzt — heute will Simone Gartz mit den Dreistadtmöhnen Dülken unter Führung von Obermöhn Ingeborg Gartz beim Sturm auf das Rathaus den Herren an den Schlips gehen. Sie freut sich schon darauf, dass Ortsbürgermeister Michael Aach, Viersens Vizebürgermeister Hans Willy Bouren und — zum ersten Mal — der Hausherr im Dülkener Rathaus, Kämmerer Norbert Dahmen, sich von ihren Krawatten trennen müssen. Schnipp, schnapp: „Keiner geht mit Krawatte heim“, so Simone.
Schon vor gut 20 Jahren ging Simone mit ihrer Mutter Ingeborg als „alte Frau“ mit. Seit zehn Jahren vertritt sie gemeinsam mit einigen Freundinnen als einzige Möhnentruppe ihre Vaterstadt im Landtag.
Der damalige Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers hatte sie zum traditionellen Prinzentreffen eingeladen, und Simone nahm dies gerne wahr, um auch den Landtagsabgeordneten an die Krawatten zu gehen. Doch nicht jeder wollte seinen Festtagsbinder opfern, musste es aber letztlich. Auch der Kreis Viersener Abgeordnete Dr. Stefan Berger gab stets der geballten Frauen-Power nach. Wenn die Krawatten abgeschnitten sind, nimmt Simone eine Sicherheitsnadel und steckt die Trophäen am Schoß ihres Kleides fest. Dann wird sie im Laufe des Altweiber-Donnerstags immer rundlicher, doch alle kann sie nicht aufheben, da würde ein Schrank nicht ausreichen.
Nicht jeder lässt die Frauen an sich ran. Möhne Simone hat auch schon erlebt, dass ihr eine Anzeige angedroht wurde. Sie hatte gemeinsam mit anderen Möhnen eine Gruppe junger Männer im feinen Faden in Dülken angemacht und rasch einige der edlen Schlipse abgeschnitten. Die Herren waren empört, kamen sie doch von weither und kannten das Möhnen-Brauchtum nicht. Doch bevor es zu einer Klage kommen konnte, hatten die Möhnen den Herren an der Theke beim Glas Hochprozentigem das Möhnentreiben erklärt — und alle waren sich wieder gut.
Dass die Dreistadtmöhnen Dülken andere Möhnen treffen — zum Beispiel bei einem Biwak — ist reiner Zufall und wird gerne zu einem Gegenbesuch genutzt. So fielen die Dülkenerinnen schon in Ahrweiler ein und werden demnächst in Erkelenz die Kolleginnen besuchen. Mit den Dölker Möhnen treffen sie jedes Jahr, so auch in diesem, zur Eröffnung des Straßenkarnevals auf dem Alten Markt zusammen.
Übrigens: Die Krawatte stammt aus dem militärischen Bereich, war immer und ist es noch heute: ein Zeichen männlicher Macht, die es an Altweiber zu brechen gilt.