Alexander und gütige Kosaken

Ein russisch-stämmiger 16-Jähriger hat sein Heimatland besucht – um unter ländlichen Traditionalisten zu leben.

Mönchengladbach. Alexander Boiko lebt nicht in Russland, sondern in Mönchengladbach. Sonst würde er es sich überlegen: Kosake zu werden.

Im Sommer hat der russisch-stämmige Zehntklässler des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen-Gymnasiums bei einem Russlandbesuch das Leben dieses besonderen Bürgerstandes kennengelernt und bewundert seitdem ihr Engagement für das Gemeinwesen der Russen. "Sie unterstützen die Armen und Hilflosen", erzählt der 16-Jährige von dem, was er bei seinem dreiwöchigen Aufenthalt beobachtet hat.

In dieser Zeit lebten sein drei Jahre jüngerer Bruder Paul und er wie die Kosaken. Sie waren Gäste bei Julia Tkatschenko. Sie ist die einzige weibliche Ata-manin (höchster Rang bei den Kosakenführern) der Welt im Dorf Machra, 100 Kilometer südlich von Moskau. "Die Menschen dort leben in Holzhütten, die mit Strom und fließend warmen Wasser ausgestattet sind", berichtet Alexander. "Diese Infrastruktur ist Verdienst der Kosaken", sagt er. Paul half bei der Ernte. Alexander hütete Vieh - "zum ersten Mal in meinem Leben".

Zu Zeiten der Sowjetunion waren die Kosaken als Anti-Bolschewiken verfolgt, weil die meisten von ihnen während der Russischen Revolution an der Seite des Zaren gekämpft hatten. 4,5 Millionen Koakene gab es ursprünglich. Inzwischen haben sie vom russischen Präsidenten ihre alten Privilegien zurückerhalten: Sie dürfen Waffen besitzen.

Damit sorgen sie für Schutz und Obhut der Dorfbewohner, was die Polizei alleine nicht schafft - Kosaken arbeiten ehrenamtlich und meist auch nebenberuflich. Außerdem finanzieren sie sich aus Spenden.

"Ich war glücklich zu sehen, dass es Leute gibt, die ihre Möglichkeiten nutzen. Ihre Zahl steigt stetig", sagt Alexander. Die Familie des jungen Mannes hat erst vor acht Jahren Russland verlassen - er kann also fließend Russisch. Nach Mönchengladbach kamen sie, weil der Vater bei Engineering Dobersek beschäftigt ist, einer Firma, die weltweit Anlagen für Metall-, Wasser- und Luftaufbereitung sowie zur Edelsteingewinnung plant.

Wollte Alexander Kosak werden, müsste er die Konfession wechseln: "Ich müsste orthodox getauft sein, aber ich bin evangelisch." Eine weitere, ursprüngliche Voraussetzung für die Aufnahme wurde gestrichen: "Man sollte einen Kosak unter seinen Vorfahren haben." Außerdem sollten Kosaken sehr religiös sein, berichtet er. "Das sind die meisten russischen Menschen" - und das trifft auch auf ihn und seine Familie zu.

Immerhin wurde Alexander von Julia Tkatschenko zum Vertreter der Kosaken ernannt. Sie hat ihn gebeten, Verbindung zu deutschen Geschäftsleuten aufzunehmen, die mit Russland kooperieren wollen. "Sie weiß, dass man Geld braucht, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern", sagt er, der später gern die Fächer Politik, Geschichte und Psychologie studieren möchte. Im Gegenzug könnte die Atamanin beispielsweise helfen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.