Altersarmut: Arme Rentner müssen jobben
Wenn die Rente karg ist, verdienen sich manche Senioren Geld hinzu. Ihre Zahl steigt ständig.
Mönchengladbach. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel: Das hört man in Mönchengladbach öfter als je zuvor. Immer mehr Einwohner wähnen sich arm, halten sich finanziell mehr schlecht als recht über Wasser. Auf 100 Einwohner kommen zehn Empfänger von Arbeitslosengeld II/Hartz IV.
Betroffen sind zunehmend auch Senioren. 2273 Menschen sind beispielsweise auf eine soziale Grundsicherung vom Staat angewiesen. Manche als Ergänzung zu ihrer kärglichen Rente, manche als Komplett-Zahlung, weil sie gar keine Rente erhalten. Andere alte Menschen kassieren zwar eine regelmäßige Rente. Deren Betrag ist allerdings so niedrig, dass sie sich mit einem Mini-Job etwas hinzuverdienen müssen. 2008 gab es in Gladbach knapp 2700 Menschen, die über 65 Jahre alt waren und jobbten - Tendenz steigend.
Einer von ihnen ist Arno P. Mehrmals die Woche arbeitet er für ein paar Stunden als Hausmeister. Der 69-Jährige muss das tun, um sein Portemonnaie zu füllen - wenn er nicht nur von Tütensuppe und Zitronentee leben will.
Arno P. zählt zu einer neuen Rentnergeneration: derjenigen, die als Arbeitnehmer in den 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends die wachsenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt in ungewohnter Härte zu spüren bekam. Einige aus dieser Generation haben damals ihren angestammten Arbeitsplatz verloren und mussten Teilzeitstellen übernehmen. Andere waren gezwungen, Jobs im Niedriglohn-Sektor nachzugehen, weil sich sonst nichts Besseres fand. Karl Sasserath, Leiter des Mönchengladbacher Arbeitslosenzentrums, erklärt: "Die Auswirkungen im Alter sind dramatisch."
Nun, da sie im Rentenalter sind, bedrückt nämlich alle das gleiche Problem: Sie leiden unter Altersarmut, weil sie auf Grund ihrer wechselhaften Arbeitsbiografie nicht genug Geld in die Rentenkassen eingezahlt haben. Jetzt müssen sie jobben: Sie überwachen Parkhäuser, räumen in Getränkemärkten die Flaschen ein oder putzen in Bürohäusern.
Aber als Mini-Jobber outen wollen sie sich selten. "Die Scham ist groß", sagt Werner Mühlenberg, Seniorensprecher bei der Verdi-Gruppe Linker Niederrhein. "Diese Menschen haben als Kinder noch den Krieg mitbekommen." In der Nachkriegszeit hätten sie gelernt, dass sich ihr gesellschaftliches Prestige zu einem guten Teil über ihr Einkommen definiert.
Einmal hat Verdi eine Informationsveranstaltung für klamme Senioren ausgerichtet, die Wege aus der Altersarmut aufzeigen sollte. Kaum jemand ist gekommen - symptomatisch für den verletzten Stolz der Altersarmen.
Verdi-Sekretär Klaus Glier zeigt Verständnis: "Es ist würdelos, wie schlecht manche Rentner dran sind." Als Gewerkschaftsmitglied kann er freilich nicht anders, als diese Diagnose mit einer sozialpolitischen Forderung zu verknüpfen: "Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn." Mit Dumpinglöhnen, wie sie Arno P. und andere Erwerbstätige in jüngeren Jahren verdient haben, lasse sich "keine existenzsichernde Rente aufbauen".
Ein anderes Problem bleibt der Hang vieler Arbeitgeber, aus ökonomischen Erwägungen Vollzeitstellen gegen Teilzeitstellen auszutauschen. "Daraus kann logischerweise auch nur eine Teilrente hervorgehen", sagt Sasserath. Seiner Kritik lässt sich der Appell entnehmen, wieder verstärkt auf Vollzeitbeschäftigung zu setzen.