Eine Ära geht zu Ende

Thomas Kivelitz ist der letzte Zivildienstleistende im Altenheim am Martinshof.

Mönchengladbach. Thomas arbeitet auf Etage Regina, wo die Blicke der Bewohner leer oder schläfrig sind, wo Menschen um Hilfe schreien, weil sie zu einem Zuhause zurück wollen, das es nicht mehr gibt. Die Wände sind blassgelb gestrichen, aus dem Radio dudelt Schlagermusik. Thomas Kivelitz, 20, absolvierte hier seinen Zivildienst. „Neun Monate war ich im Altenheim am Martinshof“, sagt er. Thomas war dort der letzte Zivi, am Freitag hatte er seinen letzten Arbeitstag. In dem Altenheim endet nun die Ära des Zivildienstes.

Die Patienten auf Thomas Station leiden an Alzheimer, das erkläre ihr Verhalten. Deshalb fühle er sich manchmal wie Sisyphus, sagt Kivelitz. „Man fängt oft wieder von vorne an.“ Doch Kivelitz hat seinen Zivildienst nie als Strafe oder unnütze Arbeit empfunden. „Man wird menschlicher“, findet der Hobby-Fußballer. Und fügt hinzu. „Der Dienst fördert das Verständnis für ältere Menschen.“ Während seiner Dienstzeit erledigte Kivelitz die typischen Aufgaben eines Zivildienstleistenden: Er brachte den Bewohnern Essen, ging mit ihnen spazieren oder unterhielt sich mit ihnen. Auch wenn das einfache Tätigkeiten sind, den Bewohnern hat Thomas viel bedeutet. „Er belebt uns“, sagt Bewohnerin Maria Hohenforst.

Als Thomas in Urlaub war, hat sie ihn vermisst. „Ich freue mich, wenn ich ihn sehe“, sagt die 93-Jährige. Doch die Arbeit von Thomas sei für die Bewohner nur ein Zusatz, sagt Heimleiterin Eveline Hensen. „Trotzdem werden die Zivis besonders am Menschen fehlen“, glaubt sie. Aber: „Die Grundversorgung in der Pflege steht.“

Nicht nur Hensen und ihr Arbeitgeber, die Caritas, sehen das so, der Tenor ist bei vielen sozialen Einrichtungen in Gladbach ähnlich. Die Verantwortlichen sprechen von Bonbons oder Sahnehäubchen, die mit dem Ende des Zivildienstes wegfallen würden. „Die normalen Pflegekräfte haben dafür keine Zeit, eine gewisse Nähe fällt weg“, sagt Karl-Heinz Lenßen von der AWO. Ihr Grund-Angebot sei aber weiterhin gesichert, betonen die AWO und die meisten anderen sozialen Einrichtungen.

Allerdings kommen auf einige nun finanzielle Mehrbelastungen zu, da sie 400-Euro-Kräfte als Ersatz für die Zivis beschäftigen, so etwa das Deutsche Rotes Kreuz in Mönchengladbach. „Für mehr Personal, das weniger Stunden arbeitet, zahlen wir jetzt mehr Geld“, sagt Pressesprecher Carsten Junghans. Die Gladbacher Malteser rechnen damit, dass sie künftig keine Vielfalt mehr bieten können. „Wir haben erst drei feste Anfragen für den Bundesfreiwilligendienst“, sagt Georg Fell von den Maltesern.

Dem Altenheim am Martinshof geht es da nicht anders. „Bisher haben wir einen Interessenten für den Bundesfreiwilligendienst“, berichtet Leiterin Eveline Hensen. Dem gegenüber stehen sechs ehemalige Zivi-Stellen, die Hensen gerne besetzten möchte. Doch sie warnt: „Um die Freiwilligen darf kein Markt entstehen, das wäre ein Nachteil.“ Denn die Träger legen selbst fest, ob sie den Freiwilligen den Taschengeld-Höchstsatz von 330 Euro zahlen oder weniger.

Im Martinshof müssen die Bewohner zukünftig ohne Thomas auskommen. Er macht nun eine Ausbildung zum Industriekaufmann.