Explosion: War es wirklich Mord?
Der Prozess gegen Sascha H., der Am Siepensteg eine Tragödie auslöste, wurde neu eröffnet.
Mönchengladbach. Der Prozess im Landgericht hat gerade erst begonnen, da fließen dem Angeklagten Sascha H. schon die Tränen über das Gesicht. Er wolle sich für seine Tat entschuldigen, sagt der 23-Jährige mit erstickter Stimme. Der Rest seines reumütigen Monologs ist dann kaum mehr zu hören. Bloß der Wortfetzen "ich habe das nicht gewollt" ist mit großer Mühe noch zu verstehen.
Sascha H. soll am 9. März 2008 in seiner Wohnung Am Siepensteg aus Liebeskummer eine tödliche Explosion herbeigeführt haben. Weil er den Hahn einer Gastherme aufgedreht hatte, war eine verheerende Menge Gas in sein Wohnzimmer geströmt. Seine Ex-Freundin Jasmin G., die von der Gefahr nichts wusste, steckte sich eine Zigarette an. Das Gasgemisch entzündete sich, das Miethaus detonierte. Der Vorwurf: Sascha H. soll nicht verhindert haben, dass G. sich den Glimmstängel anzündete.
Bei dem Unglück starb der 45-jährige Nachbar Karl Heinz I.. Jasmin G. selbst, die Sascha H. kurz zuvor den Laufpass gegeben hatte, wurde lebensgefährlich verletzt und erwachte erst Monate später aus dem Koma. Das Mietshaus wurde zerstört; an gleicher Stelle wird derzeit ein neues Gebäude errichtet.
Im Dezember vergangenen Jahres wurde Sascha H. zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Landgericht hatte ihn des Mordes, des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen - all das "durch Unterlassen".
Doch nun hat das Landgericht den jungen Mann erneut vorgeladen. Der Grund: Der Prozess gegen ihn wird - vor einer anderen Strafkammer als im vergangenen Jahr - neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidung im Juli diesen Jahres gefällt. In erster Linie soll noch einmal geprüft werden, wie weit der Tötungsvorsatz ausgeprägt war, der Sascha H. getrieben hat. Sein Verteidiger war erfolgreich in Revision gegangen. Der Rechtsanwalt hofft auf eine Strafmilderung für seinen Mandanten.
Sascha H. versucht immer wieder, dem Richter klarzumachen, dass er keine Explosion beabsichtigt habe. Zur Tatzeit will er völlig aufgelöst gewesen sein, weil seine Freundin die Liebesbeziehung mit ihm beendet habe. "Ich stand völlig neben mir", stammelt der Kfz-Mechaniker und wirkt dabei wie ein Sensibelchen, dessen Kräfte schlicht nicht ausgereicht haben, die Trennung von seiner Freundin zu verarbeiten.
Es geht um schwierige Fragen, die das Gericht beantworten muss: Hat Sascha H. wirklich bemerkt, dass sich seine Ex-Freundin die verhängnisvolle Zigarette anzündete? Der Angeklagte verneint: Er habe ihr währenddessen den Rücken zugewandt und nichts mitbekommen. Und was wollte der junge Mann überhaupt bezwecken, als er die Gastherme manipulierte? Er selbst behauptet, er habe sich durch Vergiftung das Leben nehmen wollen. Das habe aber nicht funktioniert. Ähnliches hatte er schon beim ersten Prozess ausgesagt. Als dann seine Ex-Freundin die Wohnung betrat, habe er geglaubt, das Gas habe sich verflüchtigt.
Noch drei Prozesstage stehen an, dabei werden auch Zeugen geladen. Das gibt dem Gericht Gelegenheit, zu prüfen, ob es die Version von Sascha H. berücksichtigen will.