Herr Richter, der Flüchtlingsvater
Der ehemalige Seelsorger macht mit Kindern aus den Containerbauten oft Ausflüge. Für die Grundschüler eine Abwechslung zum trostlosen Zuhause.
Mönchengladbach. Sunita, Flabiola, Fatime. Schöne Namen, aber es ist nicht ganz einfach, sie zu behalten. Die Mädchen, denen diese Namen gehören, sind zwischen fünf und elf Jahre alt und kommen, wie die meisten der 608 in Mönchengladbach untergebrachten Flüchtlinge, aus den ehemaligen Jugoslawien-Staaten.
Jede Woche unternimmt Peter Richter mit ein oder zwei Frauen des „Ökumenischen Arbeitskreises für Asylfragen Rheindahlen“ und den Kindern des Flüchtlingsheims an der Hardter Straße einen Ausflug. In den Containerbauten sind derzeit 114 Menschen untergebracht. Als der 68-Jährige auf den Parkplatz fährt, kommen sofort einige strahlende Kinder angelaufen. Sie rufen seinen Namen und freuen sich auf diesen Nachmittag.
„Bei schönem Wetter fahren wir in den Hardter Wald, in den Tierpark oder auch zum Müllberg in Rheydt, bei schlechtem Wetter spielen wir drinnen in einem Raum der Baracken“, erzählt er.
Die achtjährigeFatime lädt in das Zimmer ein, das sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern bewohnt. Im Herbst des vergangenen Jahres kam die Familie aus Mazedonien nach Deutschland. Die Eltern grüßen höflich und bieten einen Platz in dem spärlich eingerichteten Raum an. Zwei alte Sofas, ein kleiner elektrischer Ofen und ein kleiner Tisch — mehr gibt es nicht. Abends legen sie fünf Matratzen auf dem Boden aus, Betten haben sie nicht.
Seit Peter Richter vor dreieinhalb Jahren in Rente ging, ist der ehemalige Pastoralreferent und Seelsorger der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen in dem Arbeitskreis aktiv und verbringt einen Großteil seiner Freizeit mit den Kindern des Flüchtlingsheims.
„Wie war die Schule heute?“, fragen die Betreuer die Kinder auf dem Weg zum Spielplatz. Allen hat der Tag in der Schule gefallen und Fatime erzählt stolz von ihren ersten Schwimmerfahrungen. Dank Peter Richters Engagement gehen die meisten der Kinder in Rheindahlen zur Schule. In einer eigenen Klasse lernen sie dort Zählen, Schreiben und Singen. Auch an diesem Nachmittag singen sie, mal ein deutsches Jahreszeitenlied, mal ein serbisches Lied.
Der zweifache Familienvater hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kindern etwas Abwechslung zu bieten. „Mein großes Anliegen sind die Kinder. Ich finde es ungeheuer wichtig, ihnen zu helfen, mit ihnen nach draußen zu gehen. Dann hocken sie nicht den ganzen Tag in den kleinen Räumen der Baracken.“ In den zwei länglichen Containerbauten, die eigentlich schon lange geschlossen werden sollten, werden bevorzugt Alleinstehende und Folgeantragsteller untergebracht. „Die Baracken sind aufgrund der schlechten Verhältnisse immer wieder in den Schlagzeilen“, sagt Richter.
Aber draußen, auf dem Spielplatz im Wald können sich die Kinder heute wieder austoben. Sie fahren Seilbahn, klettern und drehen sich gegenseitig auf dem Karussell. „Im Dezember haben wir eine Waldweihnacht in einer offenen Waldhütte gefeiert“, erzählt er. „Dort gab es Plätzchen, Kakao und einen kleinen, mit Kerzen geschmückten Tannenbaum.“
Mit Helfern des Arbeitskreises hat Richter auch schon ganze Wochenenden für die Kleinen organisiert, zum Beispiel ein Indianerlager im Wilhelm-Kliewer-Haus. „Wenn wir Spenden bekommen, setzen wir diese für solche Aktionen ein.“
„Den Kindern einige Zeit in einer schönen und gesunden Umgebung zu schenken, das macht mich glücklich“, sagt der 68-Jährige. Es sind kleine Schritte in Richtung eines hoffnungsvollen Lebens, die er mit den Kindern geht, wohl wissend, dass die meisten weder eine Chance auf eine Duldung noch auf eine Aufenthaltsgenehmigung haben. Denn als Bewohner der ehemaligen Jugoslawien-Staaten, haben sie keinen Flüchtlingsstatus und damit in der Regel auch kein Anrecht darauf, in Deutschland bleiben zu dürfen.