Mönchengladbach Jessen-Geschäftsführer entmachtet
14 Monate nach Eröffnung der Insolvenz wurde den Bücker-Brüdern die Befugnis entzogen.
Die Gläubigerversammlung vom 3. Dezember des vergangenen Jahres hatte es in sich. Rund drei Dutzend Handwerker, Juristen, Unternehmer, Vertreter von Banken versammelten sich in Sitzungssaal C 115 des Amtsgerichts, um über eine der spektakulärsten Insolvenzverfahren in Mönchengladbach zu beraten. Es waren so viele Vertreter von Gläubigern der H. & J. Baugesellschaft mbH anwesend, dass zusätzliche Sitzgelegenheiten herbeigeschafft werden mussten. Allein die Akkreditierung der Beteiligten dauerte Angaben von Teilnehmern zufolge eine gute Stunde. Und diese Sitzung hat jetzt ein juristisches Nachspiel.
Am 2. Januar hat das Amtsgericht die Insolvenz in Eigenverwaltung der Jessen Baugesellschaft für beendet erklärt und verfügt, dass nur noch die bisherige Sachwalterin das Sagen hat. Das ist Rechtsanwältin Nada Nasser, sie wurde zur Insolvenzverwalterin bestimmt. Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Baugesellschaft, Jochen und Ulrich Bücker, dürfen somit die Sanierung der Firma nicht fortsetzen. Die Begründung: „Denn es sind Umstände bekannt geworden, die erwarten lassen, dass die Aufrechterhaltung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Auch drohen durch sie erhebliche Nachteile für die Antragstellerin.“ Und das ist die Volksbank Mönchengladbach, die das Ende der Eigenverwaltung beantragt hatte. Gegen diesen Beschluss haben die Brüder Bücker nach eigenem Bekunden Beschwerde eingelegt, eine Entscheidung des Gerichts darüber ist noch offen.
Bereits in der Gläubigerversammlung war über das Ende der Eigenverwaltung heftig debattiert und abgestimmt worden. Damals votierte die Mehrheit dafür, Joachim und Ulrich Bücker am Ruder zu lassen. Das Gericht entschied nun auf Antrag der Volksbank anders. Demnach habe Sachwalterin Nada Nasser Gericht und Gläubigern dargelegt, „dass die Eigenverwaltung bislang bereits zu erheblichen Verfahrensverzögerungen geführt hat“.
Unregelmäßigkeiten beim
Zahlungsverkehr festgestellt
Dem schloss sich das Gericht an: „Insgesamt scheint bei Fortführung der Eigenverwaltung eine effektive Verfahrensführung nicht gewährleistet zu sein. Eine solche war bereits in der Vergangenheit nicht durchgängig gegeben.“ Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass Nasser als Sachwalterin der Geschäftsführung die Kassenführungsbefugnis entzog, um den Zahlungsverkehr lückenlos kontrollieren zu können. In diesem Zusammenhang seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Die Volksbank beanstandete insbesondere Verkaufsverhandlungen zu zwei Grundstücken, an deren Finanzierung sie beteiligt war. Die Verkäufe seien versprochen worden, für eines der Objekte gab es auch Angebote, zu einem Verkauf kam es aber nicht. Das rügt das Gericht mit den Worten, „dass die Verkaufsverhandlungen der Herren Bücker insgesamt undurchsichtig scheinen, sodass nach derzeitigem Kenntnisstand zu erwarten ist, dass bei Fortführung der Eigenverwaltung den Gläubigern ein Schaden entstehen könnte“. Es gebe keinen Insolvenzplan, kein Sanierungskonzept, und Forderungen seien nicht eingetrieben worden.
„Die Gläubigerversammlung hat am 3. Dezember mit großer Mehrheit beschlossen, die Eigenverwaltung fortzusetzen, weil an einer Regelung gearbeitet wird, das Verfahren in Eigenverwaltung relativ zeitnah zu beenden“, sagte Joachim Bücker auf Anfrage. „Dem sind ein Gläubiger und das Insolvenzgericht nicht gefolgt.“ Die Geschäftsführung gehe hingegen davon aus, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gegen Ende des ersten Quartals oder im Laufe des Frühjahrs beenden zu können. „Sollte dies nicht gehen, werden wir die Konsequenzen daraus ziehen“, kündigte Bücker an. Zu Kaufanfragen für Grundstücke sagte Bücker, dass diese unrealistisch niedrige Kaufpreiszahlungen vorsahen und deshalb nicht angenommen werden konnten. Bei einem Verkauf zum späteren Zeitpunkt könnten mehr Mittel für die Masse generiert werden. „Hier werden aktuell Verhandlungen mit Interessenten geführt.“
Bücker hält das Unternehmen
generell für sanierungsfähig
Zum Entzug der Kassenführungsbefugnis sagte Bücker, es habe sich um ein mit der Sachwalterin abgestimmtes Handeln gehandelt, das im Nachhinein unterschiedlich beurteilt wird. Generell halte er das Unternehmen für sanierungsfähig. Insolvenzverwalterin Nada Nasser machte zum Verfahren keine Angaben. „Rein grundsätzlich wird weiterhin an einer bestmöglichen Verwertung des Gesellschaftsvermögens und der im Gesellschaftsvermögen stehenden Grundbesitze mit allen Beteiligten, insbesondere in Abstimmung mit den Banken, gearbeitet“, teilte Nasser mit.
Inzwischen ist nicht mehr nur das Insolvenzgericht mit dem Fall beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung gegen drei Personen eingeleitet, darunter Joachim und Ulrich Bücker. Das bestätigte Staatsanwalt Jan Steils, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das Insolvenzgericht hatte die Akten im Januar 2018 an die Staatsanwaltschaft geschickt. In diesem Fall sahen die Ermittler nach Auskunft von Steils einen Anfangsverdacht auf Insolvenzverschleppung. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn das Unternehmen schon vor dem Oktober 2017, als es den Insolvenzantrag gestellt hat, in dieser bedrohlichen Lage gewesen sein sollte, ohne rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Bücker sagte dazu: „Zu dem laufenden Verfahren bei der Staatsanwaltschaft äußern wir uns nicht.“