Mönchengladbach Kind in Mönchengladbach überfahren: Prozess eingestellt

Eine Autofahrerin, die im September auf der Kölner Straße in Mönchengladbach zwei Kinder anfuhr und eines dabei tötete, hätte den Unfall kaum verhindern können. Das entschied das Gericht am ersten Verhandlungstag.

Foto: Theo Titz

Mönchengladbach. Gleich zu Prozessbeginn bat die Angeklagte, etwas erklären zu dürfen, was sie den Angehörigen der Opfer eigentlich schon viel früher sagen wollte: „Ich bin sehr traurig über die Situation. Wir wollten die Familien besuchen und ihnen persönlich unser Beileid aussprechen, aber das wurde nicht gewünscht.“ Unter Tränen fuhr die 55-Jährige aus Jüchen fort: „Ich wollte, das wäre nie passiert. Immer, wenn ich Kinder in dem Alter der beiden Verunglückten sehe, kommt alles wieder hoch. Die Bilder lassen mich nicht los. Ich kann nachts nicht mehr schlafen.“

Am 22. September 2016 war es auf der Kölner Straße zu einem tragischen Unfall gekommen. Die Angeklagte war mit ihrem Ford Fiesta auf der Kölner Straße unterwegs gewesen, als es plötzlich zu einer Kollision kam. Die Frau hatte zwei kleine Kinder angefahren: einen achtjährigen Jungen, der am Unfallort reanimiert werden musste, anderthalb Stunden später aber im Krankenhaus starb, und dessen kleine Cousine, die schwer verletzt wurde. Die 55-Jährige wurde angeklagt wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung.

Die Trauer und die Anteilnahme waren nach dem Unfall riesengroß: Kerzen, Blumen und Stofftiere wurden an der Unglücksstelle aufgestellt. Es gab eine Spendenaktion für die Beerdigung des Achtjährigen.

Am Donnerstag begann nun der Prozess, für den ursprünglich drei Verhandlungstage angesetzt waren. Doch schon nach den ersten drei Zeugenaussagen wurde den Beteiligten klar: „Wenn überhaupt, dann kann der Angeklagten nur eine Fahrlässigkeit im unteren Bereich vorgeworfen werden“, sagte der Richter. So wurde das Verfahren vorläufig für die Dauer von sechs Monaten eingestellt. In der Zeit soll die 55-Jährige 1500 Euro an die Familie des Jungen und 500 Euro an die des Mädchens zahlen.

„Wie der Blitz“ seien die Kinder plötzlich auf die Straße gelaufen“, sagte ein Zeuge, der mit seinem Arbeitskollegen in einem Firmenwagen hinter der Unfallfahrerin fuhr. Er habe die Kinder von seinem erhöhten Fahrersitz aus gesehen. „Aber ob die Fahrerin vor mir sie auch sehen konnte, weiß ich nicht“, sagte der Zeuge. Die Kinder seien zunächst dicht an der Straße gelaufen, dann seien sie plötzlich nach links abgebogen. Er sei mit weniger als 50 km/h unterwegs gewesen und die Distanz des vor ihm fahrenden Fiesta habe sich weder verringert noch vergrößert, sagte der Fahrer.

Sein Kollege, der als Beifahrer zunächst aus dem seitlichen Fenster geguckt hatte, hatte seinen Nebenmann „Oh, nein“ rufen hören. Da sei der Unfall auch schon passiert.

Ein Niederländer, der zum Unfallzeitpunkt als Fußgänger mit seinen Enkelkindern unterwegs war, sagte vor Gericht aus, dass der Junge und das Mädchen vor ihm gingen. Sie seien auf dem Grünstreifen zwischen Straße und Bürgersteig gelaufen und immer wieder hinter den dortigen Bäumen aus seinem Blickfeld verschwunden.

Die Angeklagte war nach dem Unfall ausgestiegen. Da habe sie die beiden Kinder zum ersten Mal gesehen, sagte sie aus. Zeugen hatten berichtet, dass die Frau geschrien habe, als sie den Jungen am Boden sah. Sie selbst berichtete am Donnerstag, dass sie kurze Zeit später ihr Bewusstsein verloren habe.

Die 55-Jährige musste sich nach dem Unfall in psychologische Behandlung begeben. Ärzte bescheinigen ihr eine depressive Erkrankung und ein Trauma. Auch jetzt ist die Frau, selbst Mutter von zwei erwachsenen Kindern, noch in psychiatrischer Behandlung. Das Geschehen, so bestätigen Therapeuten, sei noch immer nicht verarbeitet.

Dem Vater des angefahrenen Mädchens — beide waren am Donnerstag im Gerichtssaal — sagte der Richter am Donnerstag, dass der Unfall an Tragik nicht zu überbieten sei. Nichts könne das Geschehen wiedergutmachen. Aber hier gehe es um die strafrechtliche Auswertung. Die Mutter des getöteten Jungen war auf Anraten ihres Anwalts nicht zum Prozesstermin erschienen.