Königin Silvia erobert die Herzen im Sturm
Der prominente Gast zeigt sich volksnah, gibt persönliche Anekdoten preis und hat klare Botschaften.
Über diesen speziellen Gruß muss die Königin von Herzen lachen. Hilla Rosseaux hat es als Zaungast vor dem Haus Erholung geschafft, die Aufmerksamkeit der in einer Limousine vorbeifahrenden Königin Silvia auf sich zu ziehen. Sie reckt die Abba-Single „Dancing Queen“ in die Höhe — und amüsiert die schwedische Monarchin damit nachdrücklich. Sie war gestern eigens aus Stockholm nach Mönchengladbach gekommen, um den Benediktpreis in Empfang zu nehmen. Gut fünf Stunden war sie in der Stadt und hinterließ dabei auf vielfältige Weise Eindruck.
Die erste Station war eine nicht öffentliche. Im Münster bekam die Königin vom früheren Probst Albert Damblon eine Privatführung und dabei eine kundige und unterhaltsame Einführung in die Stadtgeschichte. Was Benedikt mit Gladbach zu tun hat, welche Herrscher eine Beziehung zu der Stadt am Niederrhein hatten und welche Reliquien im Münster zu sehen sind, erklärte Damblon der kleinen Gruppe. Die Königin lauschte konzentriert, fragte immer wieder nach und lächelte überrascht, als mitten im Orgelkonzert der Phantasie d-Moll von Adolf Friedrich Heise die schwedische Nationalhymne erklang. Münsterkantor Klaus Paulsen hatte das vierhändige Stück, das er gemeinsam mit Heinz-Will Clements spielte, eigens umarrangiert. Das Buch mit Fotografien, das Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners der Königin schenkt, freut sie sehr. Zu zeigen, wie Bürger ihre Stadt sehen, ist „eine tolle Idee“, findet Königin Silvia. Vom Münster ging es zu einer kurzen Pause ins Dorint-Hotel. Um die Königin fürstlich bewirten zu können, hatte Dorint-Chef Ulrich E. Schweitzer eigens sein privates Hochzeitsporzellan mitgebracht.
Im Haus Erholung folgte dann der bemerkenswerte Festakt. Eine ähnliche Dichte an Prominenz dürfte es in der Stadt seit dem Besuch des Dalai Lama nicht mehr gegeben haben. Baronin Christina von Schwerin und der Bruder der Königin verfolgten die Feierstunde ebenso aufmerksam wie Landtagspräsidentin Carina Gödecke, der frühere Bischoff Heinrich Mussinghoff, der frühere NRW-Finanzminister Helmut Linssen, der Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Markus Breuer, die Unternehmer Werhahn und Underberg. Wie wertvoll es ist, dass Bürger der Stadt mit Unterstützung der Gladbacher Bank diesen Preis wiederbelebt haben, wurde gestern klar. Denn gerade in diesen bewegten Zeiten tut das Vorbild von wertegebundenem Handeln besonders gut.
Das stellten der Vorsitzende des Vorstands des Benediktvereins, Helmut Linnenbrinck, und die Laudatorin, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, heraus. Nach der Preisverleihung dankte Königin Silvia. Und sie tat es leise, eindringlich, sehr persönlich und leidenschaftlich. Sie erzählte von ihrer demenzkranken Mutter, von ihrer Hilflosigkeit als Tochter und von ihrem Engagement, Ärzte, Schwestern, Angehörige, aber auch Chauffeure und Zahnärzte in dieser Frage zu schulen. Immer wieder wich sie von ihrem Manuskript ab, erzählte frei, anekdotenreich und mit viel Wärme. Besonders ihr Appell für die Kinderrechte war eindringlich: „Es braucht wenig, einem Kind zu helfen — eine schützende und eine stützende Hand“, sagte die Königin und endete ermutigend, aber auch mit klarem Auftrag: „Sie alle können die Welt ändern.“
Beim anschließendem Empfang im Kaisersaal nahm sich die Königin viel Zeit für Gespräche — und für ein Wiedersehen. Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners brachte die Königin mit Helga Heine zusammen mit der sie 1972 bei den Olympischen Spielen in München als Hostess gearbeitet hatte. Helga Heine wollte erklären, wer sie ist, wurde aber von einer breit lächelnden Königin unterbrochen: „Das weiß ich doch. Natürlich!“ Die beiden tauschten sich über die gemeinsame Zeit in München aus. Königin Silvia drückte dabei die ganze Zeit die Hände von Helga Heine, der langjährigen Pressesprecherin der Rheinarmee in Deutschland, fest. Und ganz am Ende, als sie aufbrach, um nach Belgien weiterzureisen, winkte sie Helga Heine noch einmal durch den Saal fröhlich zu.