Künstler Heinz Mack: „Kunst und Politik besitzen eine Wahlverwandtschaft“

Der Gladbacher Künstler Heinz Mack über Politiker, die Bilder nur als Dekoration sehen, und über die Armut, in der viele Künstler leben.

Mönchengladbach. Die Kunst der Zero-Gruppe, die der Gladbacher Heinz Mack (82) Ende der 50er Jahre mitbegründete, wird auf dem internationalen Kunstmarkt heute hochgehandelt.

2015 wird eine große Zero-Wanderausstellung in den renommiertesten Museen in New York, Berlin und Amsterdam gezeigt. Kunst ist für viele Politiker nicht mehr als Dekoration für ihre Büros oder Fernsehinterviews, sagt Mack.

Dass Politiker heute auch die Nähe zu Künstlern suchen und umgekehrt, sei vor allem der Eitelkeit geschuldet.

Herr Mack, werden Sie am 22. September wählen?

Heinz Mack: Ich habe immer gewählt, so werde ich auch dieses Mal wählen.

Wie politisch sollte Ihrer Meinung nach Kunst sein?

Mack: Kunst und Politik besitzen eine Wahlverwandtschaft, die sich nicht leugnen lässt. Was in der Kunst gemacht wird, ist ein kritisches Indiz für die jeweilige politische Landschaft. Der Künstler sollte seine ganze Energie für seine Arbeit verwenden. In dem Moment aber, wo der Staat seine Bürger Repressionen aussetzt, würde ich auf die Barrikaden gehen. Insofern habe ich höchsten Respekt vor intellektuellen Künstlern, die sich leidenschaftlich für die Freiheit eingesetzt haben in einer Zeit, in der die Kunst in Lebensgefahr war.

Warum suchen Politiker heute oft die Nähe zu Künstlern?

Mack: Anstelle der Massengesellschaft, an die sich der Politiker normalerweise richten muss, ist eine individuelle Begegnung mit einem Künstler exotischer und nicht ohne Eitelkeit; das gilt auch vice versa. Willy Brandt oder Gerhard Schröder hatten mich jeweils zu einem kleinen Abendessen gebeten. Vielleicht ist es bezeichnend, dass über Kunst und Politik dann kein einziges Wort gewechselt wurde. Fatal sind da Zweckgemeinschaften, auf die einige Künstler eingegangen sind. Das ist peinlich genug.

Wie äußert sich die Nähe von Politik und Kunst?

Mack: Das Kanzleramt, der Bundestag und die Ministerien hängen heute voller Kunst. Was erworben wird, darüber entscheidet eine Ankaufkommission. Symptomatisch ist, dass ein Politiker oft vor ein Bild gestellt wird, wenn er kurz für das Fernsehen interviewt wird.

Ist das nicht enttäuschend, wenn Politiker Kunst als Dekoration benutzen?

Mack: Die Ankaufkommission erwirbt nur Werke von Künstlern, die sich bereits profiliert haben. Die Realität aber ist, dass viele Künstler im Hartz-IV-Bereich leben. Ihre wirtschaftliche Situation ist traurig. Viele Künstler, die an Kunstakademien studiert haben, können nicht von der Kunst leben und müssen Gelegenheitsarbeit annehmen.

Auf der anderen Seite wird Kunst für Millionen-Preise verkauft. . .

Mack: Das ist eine eigene makabre Welt. Der Kapitalismus breitet sich natürlich auch in der Kunst aus. Da kommt ein Spannungsverhältnis auf, weil auf der anderen Seite viele junge Künstler sich noch nicht einmal eine Bruchbude leisten können.

Hat Kunst heute einen Einfluss auf die Gesellschaft? Haben Künstler Einfluss auf die politische Debatte in Deutschland?

Mack: Ich fürchte, nein. Die Politiker haben so viele Probleme im Kopf, da fehlt das Interesse und die Sensibilität für die existenzielle Situation von gesellschaftlichen Randgruppen, zu denen auch die Künstler zählen.

Wie wichtig ist das vereinte Europa für Künstler heute?

Mack: Das vereinte Europa, das es noch nicht gibt, aber vielleicht doch einmal geben wird, hat sicherlich in den Künstlern die ersten und aktivsten Mitglieder. Große Kunst ist heute weltweit unterwegs und die beginnt in Europa. Wenn von Europa die Rede ist, hat die Kunst das besondere Verdienst, ihre Identität über Jahrhunderte hinweg gefördert zu haben. Als Ende der 50er Jahre die Zero-Bewegung die geografischen und nationalen Grenzen überschritt, war dies in mancherlei Hinsicht eine der ersten starken europäischen Bewegungen.