Mit 75 Jahren noch fit wie ein Turnschuh
Mönchengladbach. Sie wäre wohl viel schneller am Ziel gewesen, wenn sie sich nicht noch hätte umziehen müssen. „Doch in nassen Klamotten Fahrradfahren? Da hole ich mir den Rest!“, sagt Marlene Baumgart.
Die 75-jährige Eickenerin hat am vergangenen Wochenende im Bergischen Land am Möhnesee-Triathlon teilgenommen und ist nach genau zwei Stunden, 22 Minuten und sieben Sekunden ins Ziel gelaufen.
Damit platzierte sie sich mit großem Rückstand — etwa eine dreiviertel Stunde — auf dem 110. und somit letzten Platz, aber auch als die mit Abstand älteste Teilnehmerin im Feld. Und, wie gesagt, sie wäre früher im Ziel gewesen, wenn sie nach den 500 Metern Schwimmen zu Beginn des Triathlons sofort eine Umkleidekabine gefunden hätte. Denn da besteht sie drauf. Aber: „Überall waren Zuschauer, ich musste mir erstmal einen Platz suchen, wo keiner guckt“, sagt Baumgartner und lacht.
Es vergingen Minuten, bis sie endlich mit trockener Kleidung auf dem Fahrrad saß, 20 Kilometer in die Pedale treten konnte, um im Anschluss noch mal fünf Kilometer ins Ziel zu joggen. „Ich habe zwar 17 Minuten auf die vorletzte Teilnehmerin Rückstand gehabt, aber die ist auch erst 25 Jahre alt“, sagt Baumgart.
Sie weiß ihre Leistung entsprechend einzuschätzen und zu würdigen: „Was sind 17 Minuten, bei 50 Jahren Altersunterschied?“, fragt sie. Und wieder lacht sie, und schwärmt von ihrem Sohn Wolfgang, der sie mit etwa 30 anderen Freunden, Familienmitgliedern und Arbeitskollegen zusammen zum Triathlon überredet hatte. „,Mama, mach ma’!’, hat er immer gesagt“, sagt Baumgart. Und Mama — wenn ihre Enkel dabei sind, nennt ihr Sohn sie auch schon mal „Oma“ — hat gemacht.
Begonnen hat ihre Liebe zum Sport vor etwa 25 Jahren. In den 90ern las sie in einem Zeitungsartikel, dass Sport an der frischen Luft Migräneanfälle lindern solle. Zudem Zeitpunkt schluckte sie regelmäßig schwere Tabletten, um immer wieder auftretende starke Kopfschmerzen zu lindern. „Und es hat geklappt“, sagt sie.
Sie verzichtet seither auf die Medizin, joggte bis heute regelmäßig. Migräne? Fehlanzeige! Montags und mittwochs trifft sie sich auch heute noch mit wenigen Ausnahmen mit ihrem Lauftreff im Volksgarten. „Ich laufe mal sieben, mal zwölf Kilometer. So wie es passt“, sagt sie. „So wie es die Beine mitmachen.“ Am Möhnesee, erinnert sie sich, wollte sie nach den ersten Laufmetern schon die Flinte ins Kornwerfen. „1000 Meter lang hatte ich das Gefühl, die Beine sind falsch eingehängt“, sagt sie. Es lief einfach nicht rund. Aber die Kombination aus Schwimmen, Radfahren und Laufen hat es ihr jetzt angetan. Denn nur zu joggen wurde ihr spätestens im vergangenen Jahr zu monoton. „Warum ich Triathlon laufe?“, fragt sie. „Na, weil Marathon langweilig ist“, sagt Marlene Baumgart.
Die bei Erkelenz geborene Frau hatte im vergangenen Jahr am New-York-Marathon teilgenommen. „Und ja. Die ganze Strecke, alle 42 Komma irgendwas Kilometer“, betont sie, damit es auch die, die es ihr nicht zutrauen, glauben. In Köln und Dresden sei sie zuvor auch schon gelaufen. Entweder Halbmarathons, oder sie brach zur Mitte hin ab. „Das war Einlaufen“, sagt sie. Testen, wie weit sie kommt. Nun stieg sie auf den Triathlon um.
Das erste Problem: „Ich habe als Kind nie Schwimmen gelernt“, sagt sie. Freunde bei der DLRG haben sie in den vergangenen Jahren aber unterstützt, es ihr beigebracht. Problem Nummer zwei: „Ich kann beim Schwimmen das Ufer nicht erkennen; die Augen!“, sagt sie. Doch auch das Problem wurde gelöst. Sohn Wolfgang schwamm einfach mal vorneweg, daran orientierte sie sich bis zum Ufer.
Und auch Problem Nummer drei ist gelöst. „Ich bin klein, ich hatte kein richtiges Fahrrad und habe immer viel Zeit verloren“, sagt Baumgart. Aber auch das war kein Problem für ihren Sohn, Problembewältiger Wolfgang: Er organisierte ein kleines Rennrad. „Eigentlich ein Kinderfahrrad“, sagt Marlene Baumgart. Wieder lacht sie. Gut lachen hat auch ihr Hausarzt. Regelmäßig checkt er die rüstige Triathletin. Und immer wieder stellt er fest, dass alles im grünen Bereich ist. Zudem weiß sie ihre Kräfte einzuschätzen. „Ich übertreibe nie. Am Ende habe ich immer noch Kraft, könnte richtig schnell laufen“, sagt sie.
Jetzt am Montag hatte sie wegen des schlechten Wetters einmal mit dem Training ausgesetzt. „Ich muss ja nich’ immer“, sagt sie. Stattdessen ließ sie sich es gut gehen. Blieb auf der Couch. Dienstag gab’s dann auch mal ein Eis in einem Café in Eicken. Heute soll es aber wieder in den Park gehen. „Ich bin niemand zum Bummeln, zum Shoppen. Ich muss raus in die Natur“, sagt sie. Und bald will sie auch wieder auf die Triathlonstrecke.