Tierschutz in Mönchengladbach 77 Kitze vor dem Mäher gerettet
Mönchengladbach · Dieser Tod wäre für die scheuen Waldtiere grausam gewesen. Wie die Kreisjägerschaft Mönchengladbach Rehkitze davor bewahrt, getötet und zerstückelt zu werden.
Die Rettung kommt aus der Luft: Die Kreisjägerschaft hat zwei Drohnen angeschafft, um Rehkitze, aber auch sonstiges Niederwild vor dem sicheren Tod zu retten. In diesem Jahr kamen die Fluggeräte zum ersten Mal zum Einsatz. Und „es hat sich gelohnt“, wie Walter Coenen, Obmann Rehkitzrettung im erweiterten Vorstand, sagt. 77 junge Rehkitze konnten so rechtzeitig aus dem hohen Gras gerettet werden, bevor der Landwirt sein Feld mähte. Außerdem wurden Junghasen, Fasanen- und Entengelege in Sicherheit gebracht.
Ricken setzen ihren Nachwuchs meist von etwa Ende April bis Mitte Juli gerne in Grünlandflächen ab. „Durch das hohe Gras sind die Tiere nicht nur optisch gut geschützt. Rehkitze haben in den ersten Tagen auch so gut wie keinen Eigengeruch, wodurch sie gegen Fraßfeinde zusätzlich geschützt sind“, sagt Walter Coenen. Lauert Gefahr, drücken sich die Tiere an den Boden. Das endet fatal, wenn der Bauer mit seinem Mähwerk kommt. Dann werden die Rehkitze schwer verletzt, getötet, oft sogar regelrecht zerstückelt.
Laut Tierschutzgesetz sind Landwirte verpflichtet, ihre Felder unmittelbar vor der Mahd abzusuchen oder absuchen zu lassen, sagt Coenen. Zudem gibt es von der Landwirtschaftskammer und weiteren Institutionen Empfehlungen, wie die Flächen gemäht werden sollten. Doch leider sei nicht jeder Landwirt oder beauftragtes Lohnunternehmen sich dessen bewusst und halte sich an die Vorgaben, sagt Coenen.
Da der Kreisjägerschaft Mönchengladbach viel am Erhalt des Wildbestandes liegt, bietet sie den Landwirten und privaten Grundbesitzern in der Region ihre Hilfe an. Die Jäger fliegen auf Anfrage die zu mähenden Felder und Wiesen mit Drohnen ab. Sichten sie ein Tier, wird es aus der Gefahrenzone gebracht. Etwa 460 Hektar Gesamtfläche wurden in diesem Jahr an 31 Einsatztagen überflogen. Die Drohnenpiloten, meist Jäger und freiwillige Helfer, machen das ehrenamtlich. Zahlen muss kein Landwirt für die Rehkitzrettung, Spenden werden aber gerne gesehen, auch um die Wartung und den Unterhalt der Drohnen zu finanzieren.
Viele Flüge ließen
den Schlaf knapp werden
Für Coenen, einer der Drohnenpiloten, und die übrigen aus dem Team der Rehkitzrettung waren die Monate Mai bis Juli oft stressig. Vor der Arbeit wurden die Felder abgeflogen, nach der Arbeit die Flugrouten programmiert. An manchen Tagen reduzierte sich so die Schlafzeit von Walter Coenen auf anderthalb bis zwei Stunden. „Dadurch, dass es in diesem Jahr nur wenige trockene Tage gab, mussten viele Landwirte gleichzeitig mähen und das auch oft kurzfristig“, sagt Coenen, der selber ursprünglich aus der Landwirtschaft kommt.
Da sei es gut gewesen, dass einige Landwirte bereits vorher über die Homepage „rehkitzrettung-mg.de“ ihre Parzellen bestimmt und die nötigen Daten eingegeben hatten. „Das erleichtert uns die Arbeit enorm“, sagt Coenen. Denn bei Drohnenflügen müsse vieles beachtet werden. Bei Einsätzen in der Nähe von Bahnlinien, Autobahnen und Strommasten müssten Genehmigungen eingeholt und Sicherheitsabstände eingehalten werden. Flughöhen müssen berechnet werden, die sich je nach Tageszeit temperaturbedingt ändern. „Am bestens ist es morgens, wenn die Sonne noch nicht den Tau auf den Wiesen erwärmt hat“, sagt Coenen. Denn die Drohnen fliegen zuerst mit Wärmebildkamera. Erst bei Entdeckungen wird auf Sichtflug umgeschaltet. Dann schauen die Jäger nach, ob ein Tier dort liegt oder ob es sich vielleicht um einen Maulwurfshügel handelt. Wird ein Rehkitz identifiziert, gehen die Helfer in das hohe Gras, angewiesen über Funk, und holen das Jungtier heraus. Dabei werde laut Coenen versucht, das Tier so wenig wie möglich zu berühren. Die Helfer tragen Einmal-Handschuhe, die sie vorher mit Gras abreiben, damit kein Menschengeruch auf das Rehkitz übertragen wird. Auch die Jäger wurden bei ihren Einsätzen oft überrascht. „Bei einem Gestüt in Zoppenbroich haben wir sechs Rehkitze auf einmal gefunden“, berichtet Coenen. Oft seien die Tiere auch an Stellen abgelegt worden, an denen sie niemand vermutet hätte, in der Nähe von belebten Straßen zum Beispiel.
Coenen hofft, dass sich noch mehr Landwirte und private Grundbesitzer in den kommenden Jahren dafür entscheiden, die Wiesen professionell absuchen zu lassen. Auch die Revierpächter und Grundstückbesitzer sollten die Landwirte vor dem Einsatz des Mähwerks auf ihre jeweilige Verantwortung aufmerksam machen. Schön fänden es die Rehkitzretter, wenn die Landwirte die ruhige Zeit im Winter nutzen würden und ihre Felder auf der Homepage „rehkitzrettung-mg.de“ schon einmal anlegen würden und nicht erst kurz vor einem gewünschten Drohneneinsatz eine WhatsApp mit einer Standortbestimmung schicken.