Betrug in Mönchengladbach Amelies Eltern droht Anklage wegen Betrugs
Mönchengladbach. · Für sein angeblich krebskrankes Kind hatte der Vater Spenden gesammelt – dann flog er auf.
Kinder „schlachteten“ ihr Sparschwein, Vereine stellten Sammelbüchsen auf. Firmen, Gesellschaften und viele, viele Privatpersonen spendeten Geld. Sie alle wollten der kleinen Amelie helfen, dem „todkranken Mädchen mit einer seltenen Leukämie-Form“. Sieben Monate lang bangten alle um die Gesundheit des Kindes, das in der Uni-Klinik Aachen liegen sollte, und litten mit der angeblich so besorgten Familie. Doch dann flog alles auf.
Ein Jahr nach dem Betrugsskandal, der für kollektive Fassungslosigkeit sorgte, ist das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft beinahe abgeschlossen. Und der Fall Amelie könnte eine Fortsetzung vor Gericht finden. Doch da wird dann nicht das kleine Mädchen eine Hauptrolle spielen, sondern sein Vater sowie dessen Frau. Denn diesen beiden droht eine Anklage wegen Betrugs.
Kaum ein anderer Fall hat für so viel Bestürzung gesorgt wie dieser: Unter der Überschrift „Papa hilft dir“ hatte ein Mönchengladbacher vor knapp zwei Jahren zu einer Spendenaktion aufgerufen.
15 000 Euro wollte der damals 41-Jährige zusammenbekommen
Unter Tränen berichtete er von seiner Tochter, die nur noch eine einzige Überlebenschance habe: eine alternative Heilmethode, die in den USA und Russland schon erfolgreich angewendet worden sei, in Deutschland aber nicht von den Krankenkassen bezahlt werde. 15 000 Euro wollte der damals 41-Jährige zusammenbekommen. So viel koste die Behandlung des Mädchens, das im Internet den Besuchern unschuldig entgegenlächelte. Ein Foto zum Herzerweichen.
Auch in Mönchengladbach erzählte der Vater im Bekannten- und Freundeskreis von dem Schicksal seiner kleinen Tochter. Fast immer flossen Tränen, wenn er von Krankenhausbesuchen, Gesundheitszustand des Mädchens und die nur geringen Aussichten auf Genesung berichtete. Auf den Gedanken, dass alles nur Lug und Trug sein könnte, kamen nur wenige Menschen. „Er hat das wirklich alles glaubhaft gemacht“, berichten Spender.
Die Polizei hätte dem Spuk ein frühes Ende bereiten können. Sie hatte bereits im November 2017 einen Hinweis bekommen, dass mit dem Spendenaufruf des 41-Jährigen etwas nicht stimme. Eine Frau hatte bezweifelt, dass der Vater tatsächlich eine Tochter mit diesem Namen und dieser Erkrankung habe. Die Polizei lud den 41-Jährigen damals sogar vor. Dabei habe er eine Bestätigung der Klinik vorgelegt, dass sich das Kind dort in Behandlung befinde, hieß es.
Offenbar rief niemand
in der Uni-Klinik in Aachen an
Der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach schien das auszureichen. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Obwohl bereits die Überschrift der angeblichen Patientenbescheinigung einen dicken Rechtschreibfehler aufwies, wurde nicht in Erwägung gezogen, dass dies eine Fälschung sein könnte und offenbar rief auch niemand in der Uni-Klinik Aachen an. Sonst hätte sich sofort geklärt: In dem Krankenhaus liegt keine Amelie. Das Mädchen gibt es zwar, und es ist auch das leibliche Kind des damals 41-Jährigen, aber es ist völlig gesund. Es lebt mit seiner Mutter in einer anderen Stadt. Von der Spendenaktion hatten beide damals keine Ahnung. Die Beziehung zu dem Mönchengladbacher soll nur kurz gehalten haben.
Der Schwindel flog erst auf, als der Uni-Klinik im April 2018 eine gefälschte Patientenbescheinigung zugespielt wurde, die von dort aus weiter an die Polizei geleitet wurde – und als Spender auf der Facebook-Seite des Vaters sahen, was er sich für teure Dinge leistete. Eine Drohne soll darunter gewesen sein und ein neues Auto.
Mindestens 22 000 Euro soll der Mann laut Staatsanwaltschaft Mönchengladbach durch Spenden gesammelt haben. „Möglicherweise wird die Schadenshöhe noch größer“, sagt Sprecher Jan Steils.
Der Vater hatte also weitergemacht, als die ursprünglich geplante Summe von 15 000 Euro längst zusammengekommen war. Zeugen berichten, dass der 41-Jährige zum Teil sogar recht aggressiv Spenden eingefordert habe.
Als der Vater im April 2018 wieder ins Visier der Ermittler geraten war und die Polizei ihn erneut vernehmen wollte, war der angeblich gerade in den Urlaub gefahren.
Jetzt steht das Verfahren gegen den Mann kurz vor dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hat Vermögensarrest angeordnet. Das heißt: Der Vater darf vorerst nicht an seine Geldreserven gehen.