Niers bereitet Experten Sorgen
Der Niersverband findet immer häufiger Rückstände von Medikamenten im Fluss. Auch die Stickstoffwerte sind zu hoch.
Die Niers macht an vielen Stellen eigentlich wieder einen guten Eindruck. Der Fischbestand hat sich gut entwickelt, das Gewässer ist sauberer geworden über die Jahrzehnte und hat einen durchweg guten Sauerstoffgehalt. Aber es gibt zwei Probleme, die dem Niersverband Sorgen bereiten: Immer häufiger werden Arzneimittelrückstände in dem Gewässer gefunden, außerdem ist der Stickstoffgehalt in der Niers ab Mönchengladbach flussabwärts bis zur niederländischen Grenze zu hoch. Das sagte gestern der Vorstand des Niersverbandes, Dietmar Schitthelm, bei der Vorstellung des neuen Gewässergüteberichts. Für den Bericht wurden im vergangenen Jahr an 26 Stellen alle zwei Monate Proben entnommen und untersucht.
Die Biologen und Chemiker fanden demnach Medikamenten-Rückstände, Röntgenkontrastmittel, Östrogene (weibliche Hormone), aber auch Industriechemikalien, Mikroplastik und antibiotikaresistente Keime — allesamt so genannte Spurenstoffe. Auffällig ist etwa das Vorkommen des Arzneistoffs Diclophenac, der unter anderem gegen Rheuma-Beschwerden und Arthrose eingesetzt wird. Vom Klärwerk Mönchengladbach bis zur niederländischen Grenze hinter Goch waren die Orientierungswerte deutlich überschritten. In Viersen wurden etwa 1,3 Mikrogramm pro Liter Wasser gefunden, in Goch waren es noch 0,3 Mikrogramm. Erlaubt ist 0,1 Mikrogramm.
Die Spurenstoffe gelangen über die Kläranlagen in die Niers. Dort können die Rückstände bisher nicht aus dem Abwasser entfernt werden. Und derzeit deute auch nichts darauf hin, dass selbst eine zusätzliche vierte Reinigungsstufe in der Kläranlage Mönchengladbach-Neuwerk die Rückstände so beseitigt, dass der Orientierungswert eingehalten wird, heißt es in dem Bericht zum Diclophenac-Problem: „Das gilt in noch größerem Umfang für andere Arzneimittel und Röntgenkontrastmittel.“
Das Diclophenac-Problem werde durch die alternde Gesellschaft immer intensiver, sagte Dietmar Schitthelm. „Wenn wir die Beseitigung der Spurenstoffe ab den Jahren 2022 bis 2024 angehen, dann müssten danach über viele Jahre etwa 200 Millionen Euro investiert werden, um den Themen Herr zu werden, die uns die Gesellschaft bereitet“, rechnete Schitthelm vor. „Die Produzenten der Stoffe müssen einen Topf füllen, um das mit zu finanzieren.“ Technologien, um diese Rückstände zu beseitigen, müssten zum Teil erst noch entwickelt werden. Es werde Jahre dauern, bis man soweit sei.
Aber auch die Stickstoffwerte sind in der Niers zu hoch. „Ab dem Nierssee in Mönchengladbach halten wir die Grenzwerte nicht mehr ein“, sagte Wilfried Manheller, Leiter der Abteilung Gewässer und Labor beim Niersverband. Bis zur niederländischen Grenze steigt der Gesamtstickstoffgehalt auf sieben Milligramm pro Liter Wasser — mehr als das Doppelte des Grenzwertes (2,8 Milligramm). Aber nur ein Viertel davon kommt aus den Kläranlagen. „Die große Mehrheit stammt aus dem Nitratgehalt im Grundwasser“, sagte Manheller. Der Niersverband macht die Landwirte dafür verantwortlich. „Es werden mehr Wirtschaftsdünger, Gärreste und Gülle aufgebracht, als die Felder vertragen“, sagte Schitthelm.
Unterdessen ist die Niers inzwischen auf rund zwölf Prozent ihrer 108 Kilometer Länge auf deutschem Gebiet renaturiert. Bis zum Jahr 2050 sollen etwa 80 Prozent erreicht werden. Schnurgerade Abschnitte, wie sie bis in die 1970er Jahre gebaut wurden, werden völlig neu gestaltet. So werden mehr Rückzugsflächen für Regenwasser geschaffen, die Niers fließt langsamer und bietet Räume für Lebewesen. Beispielhaft ist derzeit das Projekt im Bresges-park in Mönchengladbach, wo in den kommenden Jahren für mindestens sieben Millionen Euro aus 1100 Metern Niers 2800 Meter entstehen. Dafür müssen rund 70.000 Kubikmeter Boden entsorgt werden. „So ist die Niers auf dem Weg vom ,Rio Tinto’ zum lebendigen Gewässer“, sagte Wilfried Manheller.