Stadt zahlt weniger als Mindestlohn
Etwa 100 städtische Honorarkräfte sollen die Kosten der Haftpflichtversicherung nun selbst tragen.
Die Post kam ohne vorherige Ankündigung: Knapp 100 freie Mitarbeiter der Stadt, die zum Teil schon über zehn Jahre in der Jugendpflege arbeiten, hielten plötzlich eine Änderungskündigung in der Hand: „...aus rechtlichen Gründen bin ich gehalten, den bestehenden Vertrag über die freie Mitarbeit zu kündigen“, lasen sie. Für viele Honorarkräfte war das ein echter Schock.
Eine Erklärung, was denn nun die rechtlichen Gründe sind, habe es erst einmal nicht gegeben, sagen die freien Mitarbeiter. Die Einführung des Mindestlohns konnte es nicht sein. Denn die Honorarkräfte sollen auch weiterhin 8,20 Euro die Stunde bekommen. Dafür dürfen sie jetzt die Kosten für eine berufsbezogene Haftpflichtversicherung (etwa 130 Euro) tragen. Für Sozial- und Krankenversicherung sowie alle anderen Absicherungen sind die freien Mitarbeiter ebenfalls selbst verantwortlich.
Auch bei Anhörungstreffen habe es nicht viel mehr Informationen gegeben, als dass die freien Mitarbeiter nun neue Verträge bekommen mit unverändertem Stundenlohn. Dafür gab es die dringende Empfehlung, privat eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Viele Mitarbeiter sind nun total verunsichert: „Will die Stadt Verantwortung abwälzen?“ „Welches Risiko tragen wir jetzt — bei einem relativ kleinen Verdienst?“ Die betroffenen Kräfte arbeiten in der Lernhilfe, in Jugendzentren und auf Abenteuerspielplätzen. Die Etats, die ihnen für die Arbeit mit den Kindern zur Verfügung gestellt werden, sind nicht hoch. Damit die Kinder gesundes Essen bekommen, hätten sich die engagierten Mitarbeiter selber Sponsoren suchen müssen.
Von Seiten der Stadt hieß es gestern, dass die Gründe für die Änderungskündigungen sehr wohl erläutert worden seien: Die alten Verträge hätten einen missverständlichen Passus enthalten. Den freien Mitarbeitern sei suggeriert worden, dass über die Stadt eine Rundum-Haftpflichtversicherung bestehe. Auch bei der Verwaltung sei man bis zu einer Prüfung davon ausgegangen, dass dies so ist. Das stimmte aber offensichtlich nicht.
In der schriftlichen Stellungnahme der Stadtverwaltung steht: „Die Stadt ist gehalten, für den Schaden, den die Honorarkraft fahrlässig oder bei Verletzung der Aufsichtspflicht verursacht und den die Stadt gegenüber dem Geschädigten übernommen hat, die Honorarkraft in Regress zu nehmen.“
Das hänge mit dem Status „freiberuflicher Mitarbeiter“ zusammen. Den will die Stadt nicht gefährden. Denn 2013 hatte das Finanzamt schon einmal, allerdings erfolglos eine Klage eingereicht, weil es mutmaßte, bei den „Freien“ handele es sich um Scheinselbstständige.
Zum Thema Entlohnung schreibt die Stadt: „Die Einführung des Mindestlohns ist irrelevant.“ Es handele sich um ein Vertragsverhältnis über Honorartätigkeit, nicht um ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis: „Ein freiberuflicher Pädagoge bietet der Stadt an, Kinder und Jugendliche zu betreuen. Dafür erhält der freiberufliche Mitarbeiter eine Vergütung auf Stundenbasis.“