Streit ums Sozialticket

Ab 1. November soll es die vergünstigte Karte im VRR geben. Ob das in Gladbach so sein wird, ist offen.

Mönchengladbach. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), dem auch der Öffentliche Personennah-Verkehr (ÖPNV) in Gladbach angeschlossen ist, hat das Sozialticket beschlossen. Ob dieser Schein zum Monatspreis von 29,90 Euro der Preisstufe A den in Gladbach rund 67 000 dafür berechtigten Personen zur Verfügung gestellt wird, ist aber völlig offen. Denn die Ampel ist in der Frage uneins.

Während Gladbachs Grünen-Fraktionssprecher Karl Sasserath gegenüber der WZ erklärte, der Fahrschein komme „automatisch“ zum 1. November und sei im Koalitionsvertrag zwischen Gladbacher SPD, FDP und Grünen vereinbart, winkt „VRR-Spezialist“ und SPD-Fraktionssprecher Lothar Beine ab. Auf die Stadt kämen infolge des Sozialtickets jährliche Kosten von 600 000 Euro zu, sagt Beine, der die Zahl von der NVV AG hat. „Das darf die Stadt nicht ausgleichen.“ Somit werde es „leider“ kein Ticket dieser Art geben. Zur koalitionären Vereinbarung sagt Beine: „Da steht kostenneutral.“ Und das sei das Sozialticket nicht.

Stadtfinanzchef Bernd Kuckels (FDP) hatte am Rande der VRR-Sitzung für eine Sondersitzung des Stadtrates plädiert — immerhin belaste das neue Angebot die Stadtkasse. Im OB-Büro gibt es derzeit aber keine Sondersitzungs-Pläne.

Gladbach ist eine Stadt unter Zwangsaufsicht der Bezirksregierung. Jede zusätzliche, freiwillige Ausgabe müsse Düsseldorf akzeptieren. So auch im Ticket-Fall. Sasserath erklärte, das Angebot dürfe nicht an HSK-Auflagen scheitern. HSK heißt Haushaltssicherungskonzept. Der Sozialfahrschein soll für 14 Monate in einer Pilotphase bereitgestellt werden.

Dieter Harre, zuständig bei der NVV AG für den ÖPNV (MöBus, WestBus) geht von jährlichen Kosten bis zu 585 000 Euro aus. Es sei denn, sagt Harre, die rot-grüne Landesregierung überträgt, wie angekündigt, „ÖPNV-Millionen“ aus 2011 ins nächste Jahr. Die Folge: Die Stadt würde weniger belastet. Harre rechnet mit „um die 50 000 Euro“ im Jahr. Welcher Betrag auch immer: Er wird aus dem Topf „Stadtsparte“ der NVV genommen. Hierzu gehören Busse und Bäder.

Seit Neuestem heißt die Sparte Mobil+Aktiv als eigenständige GmbH, die jährlich mehr als 15 Millionen Euro Miese macht. Vor allem wegen der Busse. Diese Defizite werden aus dem Jahres-Gewinn bezahlt, den die NVV (zu 50 Prozent im Stadteigentum) an die Kommune überweist. Der Riesenverlust schmälert seit Jahren die Gewinnausschüttung.

Bezieher von Wohngeld oder Hartz-IV-Empfänger können das Sozialticket beantragen. Auch solche, die wenig verdienen und ihren Lebensunterhalt durch Transfergelder „aufstocken“ müssen. Harre prognostiziert, dass zwar 67 000 Menschen berechtigt sind, doch nur etwa 14 Prozent von ihnen würden zum Beispiel mit dem Bus fahren.

Das Sozialticket sieht vor, dass nach 19 Uhr an Wochenenden und Feiertagen maximal drei Kinder bis 14 mitfahren können. Plus einem Erwachsenen, dem Inhaber des Monatsfahrscheins. Die reguläre Karte kostet im Vergleich rund 20 Euro mehr. Grundlage der Einführung war ein gemeinsamer Antrag von CDU und Grünen im VRR.