Unfälle: Wenn Abbiegen tödlich endet

Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 522 Menschen durch Unfälle verletzt.

26. Juli 2016: Der Fahrer eines Sattelzuges will von der Johannesstraße nach links in die Erzberger Straße einbiegen. Dabei erfasst er eine Fußgängerin (56), die auf dem Gehweg unterwegs ist. Die Frau wird überrollt und dabei so schwer verletzt, dass sie wenig später stirbt. Die Situation an der Unfallstelle ist bestürzend. Notfallseelsorger müssen hinzugezogen werden.

17. November 2015: Ein Knall lässt Passanten an der Bismarkstraße zusammenschrecken. Der Fahrer eines Container-Lkw hat beim Abbiegen von der Kaiserstraße in die Bismarkstraße eine Frau überfahren. Für die 47 Jahre alte Fußgängerin kommt jede Hilfe zu spät. Rettungskräfte können die Frau nur noch gegen Gaffer schützen und mit Folie abdecken. Viele Augenzeugen weinen. Auch an diesem Unfallort sind Seelsorger im Einsatz.

Diese beiden tragischen Fälle hat die Polizei jetzt zum Anlass genommen, um noch einmal eindringlich vor den Gefahren im Straßenverkehr zu warnen. „Opfer von Gewaltdelikten sorgen für viel mehr Aufregung als Opfer von Unfällen“, sagt Dirk Hoff, Leiter der Direktion Verkehr. Dabei sei die Zahl der Verunglückten um ein Vielfaches höher. 522 Verletzte waren es in Mönchengladbach alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. „Und hinter jedem Verunglückten steckt ein persönliches Schicksal“, sagt Hans-Gerd Möskes, Leiter der Stabsdienststelle Verkehr.

Dirk Hoff, Leiter Direktion Verkehr zum Thema „Toter Winkel“

In Mönchengladbach sind Abbiegefehler Unfallursache Nummer eins. Die genannten Beispiele zeigen deutlich, wie gefährlich sie sein können. „Beide Frauen könnten noch leben“, meint Hoff.

Die Polizei hat ihren Überwachungsschwerpunkt bereits auf Abbiege- und Vorfahrtsfehler gelegt, und eine eigene Projektgruppe gegründet. Die Überwachungstätigkeit der Polizei wurde um 30 Prozent gesteigert. Das habe auch bereits zu einem Rückgang der Unfälle mit Verletzten geführt, berichtet Möskens. Dennoch wurden bei den Stadtteilkontrollen gestern an der Hohenzollernstraße in nur wenigen Stunden wieder 20 Verkehrsteilnehmer bei Abbiege- und Vorfahrtsverstößen erwischt. Wenige Tage zuvor in Rheydt waren es sogar 99. „Es scheint für manche irgendwie uncool zu sein, den Blinker zu setzen“, sagt Hans-Gerd Möskes, „andere sehen in einem Stopp-Schild offensichtlich nur eine freundliche Empfehlung. Und Hoff ergänzt: „Einige vergessen wohl, dass sie ein bis zwei Tonnen Metall bewegen.“

Die beiden tödlichen Unfälle, bei denen Fußgängerinnen starben, geschahen alle beim Linksabbiegen. „Die Geschwindigkeit des Entgegenkommenden wird beim Linksabbiegen oft unterschätzt“, sagt Möskes. Ursachen gibt es viele. Häufig werde nicht bedacht, dass ein Motorroller heute schneller als 40 km/h fahren oder ein Radfahrer auch auf einem E-Bike sitzen kann. Fußgänger müssten immer daran denken, dass Lkw-Fahrer trotz erhöhter Sitzposition einen eingeschränkten Blickwinkel haben. „Schauen Sie sich im Internet mal die Bilder zum Thema ,toter Winkel’ an. Da wird anschaulich gemacht, dass für einen Lkw-Fahrer in bestimmten Situationen eine ganze Schulklasse mit 25 Kindern unsichtbar bleiben kann“, sagt Hoff. Möskes: „Manchmal lebt man länger, wenn man als schwächerer Verkehrsteilnehmer nicht auf sein Recht pocht.“ Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 126 Menschen beim Abbiegen verletzt, im Vorjahreszeitraum waren es 130.

Die Polizei will weiterhin bei der Überwachung den Fokus auf Abbiege- und Vorfahrtsfehler legen, für das kommende Jahr ist ein Großprojekt zu diesem Thema angedacht. Neben allen Präventionsmaßnahmen, zu denen auch bauliche Veränderungen gehören, müsste man laut Hoff aber auch über eine Erhöhung der Geldbußen nachdenken. „Das hat mit Wegelagerei nichts zu tun“, sagt er. Hier gehe es um die Verkehrssicherheit. Ungarn habe gezeigt, dass empfindliche Strafen Wirkung zeigen. Jahrelang habe das Land in der Unfallstatistik in Europa weit hinten gelegen. Jetzt, nachdem es die Prävention verstärkt und die Sanktionen erhöht habe, liege es vor Deutschland. Hoff: „Es gibt nachweisbare Zusammenhänge zwischen Geldbußen und Verhalten.“