Vergewaltigung: Freispruch
Die Aussagen des Opfers bei der Polizei und vor Gericht widersprachen sich.
Mönchengladbach. „Wenn Zweifel bleiben, dann reicht das schon“, hatte Verteidiger Oliver Wintz zu Beginn seines Plädoyers gesagt. Ob es nur seine Argumente waren oder ob die Richter diese Zweifel von vorneherein auch hatten, wird niemand erfahren, denn es gilt das Beratungsgeheimnis der Richter. „Man muss am Ende die Konsequenz ziehen und freisprechen, wenn die vorliegenden Beweise zur Überzeugungsbildung nicht ausreichen“, begründete der Vorsitzende Richter Rainer Biermann die Entscheidung der Kammer. Und sie reichten nicht.
Wintz hatte insgesamt 16 Punkte vorgetragen, in denen die Aussage des möglichen Opfers bei der Polizei nicht mit dem übereinstimmte, was die Frau später — unter Ausschluss der Öffentlichkeit — im Gerichtssaal berichtet hatte. Staatsanwältin und Nebenklage-Anwältin hatten in ihren Plädoyers vorher befunden, das, was in der Anklage stehe, habe sich im Prozess bestätigt.
Sie habe auch Widersprüche entdeckt, erklärte Staatsanwältin Jane Wolf, aber wenn es um das „Kerngeschehen“, also den eigentlichen Ablauf der Vergewaltigung gehe, sei die Aussage der Zeugin konstant. Sie forderte, unter Einbeziehung einer noch laufenden Bewährung sechseinhalb Jahre Haft.
Drei der Punkte, die Wintz angesprochen hatte, griff Biermann in seiner Urteilsbegründung auf. Die junge Frau hatte angegeben, man habe sich am 11. Februar 2011, etwas mehr als einen Monat nach dem Ende der Beziehung, noch einmal getroffen, weil sie persönliche Dinge aus der Wohnung ihres Ex-Freundes habe holen wollen. Dabei sei er völlig unvermittelt über sie hergefallen, habe sie erst in der Wohnung, später im Badezimmer eingeschlossen und mit vorgehaltenem Messer zum Oralverkehr gezwungen, sie später ins Schlafzimmer gedrängt und sie dort vergewaltigt.
Dass es an diesem Abend Geschlechtsverkehr gegeben habe, hatte der Angeklagte Kay S. nie bestritten — nur sei der einvernehmlich gewesen. Man habe sich nach der offiziellen Trennung noch mehrfach getroffen, auch zu Sex sei es dabei gekommen. Bei der Polizei hatte die junge Frau selbst noch erklärt, es habe eine Woche vor der Tat einen gemeinsamen Abend gegeben. Vor Gericht sagte sie aber, man habe sich seit Silvester nicht gesehen.
Zweiter Knackpunkt war das Messer, das den Vorwurf der Vergewaltigung auf „schwere Vergewaltigung“ mit einer Strafandrohung von mindestens fünf Jahren Haft erhöht hatte. Der Angeklagte hatte erklärt, er kenne das Messer nicht. Die Zeugin hatte erklärt, es sei seins. Dass sich am Ende nur die Fingerabdrücke eines Polizeibeamten darauf fanden, sei darauf zurückzuführen, dass sie es abgewischt habe. Später hatte sie vom Abwischen nichts mehr wissen wollen.
Genauso wenig konnte sie sich erinnern, ob sie sich nach der vermeintlichen Tat gewaschen habe oder nicht. „Es gibt relativ viele Punkte, die nicht so wirklich nachvollziehbar sind“, sagte Richter Biermann abschließend. Staatsanwältin und Nebenklagevertreterin wollen nun prüfen, ob sie in Revision gehen.