Investment nicht mit Gemeindeordnung vereinbar NEW muss sich von „Sven“ trennen
Mönchengladbach. · Die Beteiligung an der Entwicklung des E-Autos ist laut Bezirksregierung nicht mit der Gemeindeordnung zu vereinbaren.
Das Elektroauto „Sven“ wurde auf dem Genfer Autosalon und im Hugo-Junkers-Hangar mit großem Pomp präsentiert. Nun ist aber klar: Die NEW AG muss sich davon trennen. Dies teilten NEW-Vorstand Frank Kindervatter und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Peter Schlegelmilch nach einer Unterredung bei der Bezirksregierung am Mittwoch mit. „Leider wurde jetzt bei Gesprächen mit der Bezirksregierung und dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich, dass wir nicht zu einer gemeinsamen Einschätzung der Rechtslage kommen“, sagte Kindervatter. Im Juni vergangenen Jahres hatte sich die NEW mit 2,5 Millionen Euro an der Aachener „Share2Drive GmbH“ beteiligt, die das für Carsharing konzipierte Auto entwickelt. Dieses Investment war die NEW eingegangen, ohne vorher die Zustimmung des Stadtrates einzuholen und die Bezirksregierung einzuschalten, was laut Gemeindeordnung zwingend nötig gewesen wäre.
Nun muss sich die NEW wieder von den Anteilen trennen und dafür einen Käufer finden. Denn ein Rückübertragungsrecht gibt es laut Kindervatter in den Kaufverträgen nicht. „Wir sind schon seit längerer Zeit in Anbahnungsgesprächen mit Investoren über einen Verkauf“, so Kindervatter. „Ich gehe zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht davon aus, dass der NEW Verluste entstehen.“ Womöglich gibt es noch nicht einmal eine rechtliche Verpflichtung, die Sven-Beteiligung loszuschlagen. Kindervatter braucht als Vorstandschef einer Aktiengesellschaft einen Mehrheitsbeschluss seines Aufsichtsrats, den er hatte. Jedoch hätte ein Beharren auf der Beteiligung gravierende Folgen nach sich ziehen und im Extremfall den Ausstieg der Stadt Mönchengladbach aus der NEW bedeuten können. Da ist der Anteilsverkauf an „Sven“ der reibungslosere Ausstieg.
Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners, Vertreter der größten kommunalen NEW-Gesellschafterin, nämlich der Stadt Mönchengladbach, bestätigt den beabsichtigten Ausstieg aus dem Projekt „Sven“ und hält es für richtig, damit die Rechtsauffassung der Bezirksregierung zu akzeptieren. Er selbst habe aber erst aus der von Kindervatter und Schlegelmilch formulierten Stellungnahme davon erfahren. „In die Entscheidung war ich nicht eingebunden, das bedaure ich außerordentlich“, so Reiners spürbar verärgert.
Es geht um eine
grundsätzliche Entscheidung
Die Angelegenheit hat mehrere Ebenen: Zum einen geht es um die grundsätzliche Frage, wie weit sich Unternehmen mit kommunaler Beteiligung wirtschaftlich betätigen dürfen. Geregelt wird dies über Paragraf 107 der Gemeindeordnung (GO). Zu den Bedingungen zählen ein öffentlicher Zweck und dass private Unternehmen die Aufgabe nicht besser übernehmen. Dies ist in NRW in engeren Grenzen erlaubt als in anderen Bundesländern. Bei der Beteiligung an „Sven“ verweisen NEW-Chef Kindervatter und Aufsichtsratsvorsitzender Schlegelmilch ausdrücklich auf die anderen Bundesländer und pochen auf Gleichbehandlung. Es geht also um eine grundsätzliche Entscheidung.
Die Bezirksregierung bestätigt, dass sie das als problematisch sieht. „Zudem ist aber auch die erforderliche Beteiligung des Rates und die Anzeige bei der Aufsichtsbehörde unterblieben“, so Dagmar Groß, die Sprecherin der Behörde.
Die Hauptkritik der Bezirksregierung zielt jedoch nach Informationen unserer Redaktion auf das Verfahren. Denn laut Paragraf 108 der GO darf sich eine Kommune nur dann an einem Unternehmen wie der NEW beteiligen, wenn sie „einen angemessenen Einfluss“ erhält und dieser auch gesichert wird. Dies sieht die Kontrollbehörde auf dem Weg zur Anteilsübernahme der städtischen Beteiligung der NEW an „Sven“ als nicht ausreichend gegeben. Denn die Anteile wurden gekauft, ohne dass ein Beschluss des Stadtrates vorlag. Ein standardmäßiger Passus, dass die Aufsichtsratsentscheidung vorbehaltlich der Entscheidung der Stadträte getroffen wird, soll in diesem Fall nicht im
Beschlusspapier stehen.
OB Reiners, Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller und der Heinsberger Landrat Stephan Pusch haben als Vertreter der kommunalen Gesellschafter deshalb nicht zugestimmt, sondern sich enthalten. „Die Neuaufstellung der NEW und ergänzende Modell zum ÖPNV finde ich nach wie vor spannend“, so Reiners. „Aber es funktioniert nicht auf diesem Weg.“ Der Kreis Heinsberger Landrat Stephan Pusch sagt: „Als kommunale Vertreter haben wir uns damals allerdings enthalten, weil wir Probleme im formalen Anzeigenverfahren gesehen haben. Gleichwohl hatten wir die Hoffnung darin gesetzt, dass durch Gespräche mit der Kommunalaufsicht eine Genehmigung des Projektes erreicht werden kann.“
Er fordert eine Reform der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung und eine Experimentierklausel für das Rheinische Revier, um Projekte aus den Bereichen Smart City und Shared Economy vorantreiben zu können. Es ist damit zu rechnen, dass das Vorgehen auch in der Ratssitzung am 3. Juli zu Diskussionen führt. Auch, weil die Fraktion der Linken den Sachverhalt zur Prüfung an die Bezirksregierung geschickt und damit den Stein überhaupt ins Rollen gebracht hatte.
Die Bezirksregierung will die NEW AG nun bei dem Ausstieg begleiten, kündigt Dagmar Groß an und betont, dass sowohl Landes- als auch Bezirksregierung ein Engagement in Sachen E-Mobilität unterstützten. „Dieses Engagement muss aber die gesetzlichen
Rahmenbedingungen erfüllen“, so Groß