DFB-Team gegen die Türkei Wie der Gladbacher Florian Neuhaus sein Nationalelf-Debüt erlebt hat
Köln · Der ehemalige Mittelfelfeldspieler von Fortuna Düsseldorf hat eine bemerkenswerte Entwicklung bis zum Nationalteam hingelegt. Und er heimst Lob vom Bundestrainer für sein Debüt gegen die Türkei ein.
Es kommt recht oft vor, dass sich Florian Neuhaus mit der Hand über den Scheitel streicht. Die Angewohnheit war beim Aufwärmen zu beobachten, als der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach unter den elf Auserwählten für die Anfangsformation mitmischte. Am Ende des Abends strich sich der 23-Jährige in der digitalen Pressekonferenz mal wieder durchs Haar, um die aufwühlenden Ereignisse beim 3:3 gegen die Türkei für sich zu verarbeiten. „Ein ganz besonderer Tag. Der größte Tag meiner Karriere“, sagte Neuhaus, was nachvollziehbar klang.
Der Novize mit Nummer sechs stand symbolisch für einen Test mit „Licht und Schatten“, den Bundestrainer Joachim Löw gesehen. Erst krönte der 108. Debütant unter seiner Regie eine mutige Herangehensweise mit dem 2:1 (58.), dann ließ er sich jedoch vor dem 2:2 von Efecan Karaca (67.) den Ball abluchsen, wobei ihm der türkische Gegenspieler zuvor in den Rücken stieß. Löw sprach seinen in der 79. Minute mit Applaus ausgewechselten Neuling von jeder Schuld frei: „Das war ein klares Foulspiel an ihm. Da kann er nichts tun.“
Neuhaus erklärte hinterher, es habe sich „auf dem Platz wie Foul angefühlt“, er müsse sich die Szene noch mal genau anschauen. „Ich glaube, er trifft den Ball nicht und rennt mich dann komplett um. Im Spiel wurden solche Szenen häufig gepfiffen.“ Mit ein bisschen Abstand wird der 1,83-Meter-Mann wissen, dass international ein bisschen mehr Standfestigkeit nicht schaden kann, zumal ihn auch in der Champions League noch großzügig leitende Schiedsrichter erwarten.
Anders als sein Vereinskamerad Jonas Hofmann, 28, oder Mahmoud Dahoud, 24, kann er sich berechtigte Hoffnungen machen, noch auf den EM-Zug aufzuspringen. Defensive Mittelfeldspieler mit Ordnungssinn, Kampfkraft und Antriebsdrang sind immer gefragt, auch wenn das Gedränge in der Zentrale immens ist. Joshua Kimmich und Toni Kroos gelten immer noch als gesetzt, dahinter lauern Ilkay Gündogan und Leon Goretzka.
Doch warum nicht auch Neuhaus? Offensivliebhaber Löw hatte unabhängig des „schönen Tores“ gefallen, wie sich der in Landsberg am Lech aufgewachsene Fußballer schlug, der wie so viele durch die Jugendabteilung des TSV 1860 München ging. „Florian hat ein gutes Spiel gemacht. Er hatte viele Aktionen im Spiel. Er war sehr ballsicher, er ist manchmal auch mit Tempo mit dem Ball durchs Mittelfeld gegangen.“ Speziell in seinem Debütanten-Treffer vereinten sich viele Qualitäten.
Bemerkenswert, dass es der kluge Kopf geschafft hatte, die beim Fußball nicht zwingend emotional verbundenen Städte Köln, Mönchengladbach und Düsseldorf mit einem imaginären Band zu verknüpfen. Im Kölner Stadion ist jetzt der vorläufigen Höhepunkt seiner Entwicklung hinterlegt, in Mönchengladbach schätzen sie seine Anlagen längst und in Düsseldorf hatte er auf einer Leihstation entscheidenden Anteil an der Zweitligameisterschaft 2018. Die Fortuna hätte ihn vor zwei Jahre gerne weiter behalten, aber am Niederrhein ahnten sie wohl schon, wohin der Weg des 2017 verpflichteten Neuhaus noch führen könnte. Sein Vertrag in Mönchengladbach läuft vorsorglich bereits bis 2024. Nationalmannschaftsdebütanten mit Torriecher wecken nämlich schnell Interesse.