Wochenmärkte sterben langsam aus
In zehn Jahren sind Mönchengladbachs Märkte um 15 Prozent geschrumpft. Und die verbliebenen Kunden werden immer älter.
Seit 23 Jahren steht Ulrich Tokloth auf dem Markt in Rheydt, verkauft Fleisch und Wurst aus eigener Produktion, hält ein Schwätzchen mit seinen Kunden. „Ende des Monats ist aber Schluss“, sagt 65-Jährige. Eigentlich hätte er gerne noch ein bisschen länger gemacht, aber die Knochen spielen eben nicht mehr mit. „Irgendwann ist dann auch mal gut“, sagt er. Einen Nachfolger hat Tokloth nicht. „Wir arbeiten sieben Tage die Woche, an Markttagen stehe ich um 3.15 Uhr morgens auf. Das tut sich kaum einer der jungen Leute noch an.“ Und der Fleischer ist kein Einzelfall, immer wieder hat er in den vergangenen Jahren Beschicker verabschiedet, die ohne Nachfolger aufhören mussten. „In den kleinen Ortsteilen werden die Märkte so irgendwann sterben“, meint der Rentner in spe.
Das Problem ist ein strukturelles, sagt Mario Storms vom Ordnungsamt der Stadt Mönchengladbach. „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Beschicker um etwa 15 Prozent gesunken.“ Eine Auswertung der aktuellen Zahlen zeigt: Im Jahr 2012 waren in Gladbach noch 312 Marktstände belegt, heute sind es nur nur noch 259. Am stärksten ist der Rückgang dabei auf den größten Märkten der Stadt spürbar: Die Zahl der Händler auf dem Samstagsmarkt in Rheydt-Mitte ist innerhalb von vier Jahren um zehn von 55 auf 45 geschrumpft. Auch am Freitag in Rheindahlen (minus acht, jetzt 22) und Donnerstag in Wickrath (minus sieben, jetzt 18) ist der Schwund deutlich.
Zwar gibt es über das Stadtgebiet verteilt noch 14 Märkte. Folgen die Entwicklungen dem Trend, dürfte es in den kommenden Jahren in einigen Ortsteilen aber knapp werden. In Bettrath und Holt steht jeweils nur noch ein Beschicker, der Obst und Gemüse anbietet. In Rheydt-Mitte verkauft am Freitag ein Wagen Fisch. In Neuwerk und Hardt bieten noch sechs Händler ihre Waren an, in Lürrip fünf.
Nicht nur viele Marktbeschicker werden älter und finden keine Nachfolger, auch beim Publikum bleiben die Jüngeren zu oft weg. Auch Ulrich Tokloth kennt vieler seiner Kunden schon seit Jahrzehnten. „Die kommen seit 30 oder 40 Jahren auf den Markt, waren schon bei meinem Vorgänger“, sagt er.
Am Obst- und Gemüsestand des Lenßenhofs zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. „Viele Ältere kommen, weil sie auf der Suche nach alten Gemüsesorten sind. Sie suchen den Geschmack von früher“, sagt Ute Frey. Aber auch junge Familien gehörten immer wieder zu ihren Kunden. „Das sind dann häufig Menschen, die für sich oder ihre Kinder Bio-Obst kaufen.“ Die Masse zieht es aber doch in die Discounter und Supermärkte. „Dort bekommen sie alles, was sie haben wollen, bei jedem Wetter warm und überdacht. Dazu sind die Preise oft unschlagbar“, sagt Mario Storms. „Nach jedem Lebensmittel-Skandal denke ich mir: Jetzt muss es doch einen Trendwechsel geben“, sagt Storms. Der aber hält meistens nicht lange vor. Dabei gebe es auch für die Märkte gute Argumente: Frische, Regionalität, Beratung, Atmosphäre.
Überlegungen, wie man die Märkte beleben könnte, gibt es einige. Eine Werbekampagne wäre denkbar, auch Feierabend-Märkte sind im Gespräch. „Das ist aber eine andere Klientel, ein ganz anderes Erlebnis“, sagt Storms. Dabei gehe es eher um das gemütliche Zusammensein bei einem Glas Sekt, weniger um den Einkauf. In Köln und Oberhausen haben man sich ähnliche Märkte angeschaut. Nun ist es an der Politik, zu entscheiden.
Auf die möchte der künftige Ex-Beschicker Ulrich Tokloth übrigens auch in Zukunft nicht verzichten. Nur eben von der anderen Seite der Theke. „Ich gehe natürlich auch weiter auf dem Markt einkaufen. Hier weiß ich, bei wem ich frisches Obst und Gemüse kaufe“, sagt Tokloth.