Wieder Diskussion um Straßennamen
Die Debatte um eine Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Straße ist wieder entfacht. Den Namensgeber sehen viele Gladbacher als Mitverantwortlichen am Völkermord im heutigen Namibia.
Auch in über 100 Jahre alten Fällen gibt es Neuigkeiten. Diese hier kommt aus Berlin, dreht sich um Namibia — und hat doch wahrnehmbare Ausschläge in Mönchengladbach. Die Bundesregierung hat zum ersten Mal das Massaker an bis zu 100 000 Afrikanern der Völker Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 offiziell als Völkermord bezeichnet. Als Adjutant des Generalleutnants Lothar von Trotha war damals Paul von Lettow-Vorbeck an dem Massaker in Südwestafrika (heute Namibia) beteiligt. Er trug nicht die direkte Verantwortung, war aber für die Umsetzung mit verantwortlich. Zu der gehörte es, die Herero in die Wüste zu treiben und dort verhungern zu lassen. Tausende Nana überlebte die Arbeit in Konzentrationslagern nicht; andere starben wegen vergifteter Wasserquellen. Lettow-Vorbeck hatte eine andere Strategie als von Trotha vorgeschlagen. Dessen Vernichtungsstrategie verteidigte er jedoch auch später mit Nachdruck.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Lettow-Vorbecks Offizierslaufbahn. Andere Stationen sind in der Bewertung der meisten Historiker indes ähnlich wenig vorteilhaft, weswegen ein Biograf ihn „wohl einen der größten deutschen Kriegsverbrecher“ nennt. Einige Städte wie Hannover haben darum ihre „Lettow-Vorbeck-Straßen“ umbenannt. In Mönchengladbach gibt es sie weiterhin, in bester Lage am Bunten Garten, obwohl vor allem Linke und Grüne in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe zur Umbenennung genommen haben.
Zuletzt befragte die Verwaltung die betroffenen Anwohner vor einem Jahr, was sie denn von einer Umbenennung halten würden. Von 62 waren 56 dagegen. Das wunderte SPD-Ratsherr Reinhold Schiffers nicht. „Das war ja auch nicht darauf angelegt, die Anwohner grundlegend zu informieren“, sagt er. Die Verwaltung habe damals einen Brief geschickt und auf das Stadtarchiv verwiesen. „Wenn man einen hochkarätigen Historiker zu einer Bürgerversammlung eingeladen hätte, der das sachlich darstellt, hätte es anders ausgesehen“, glaubt der frühere Bezirksvorsteher. Er macht nun einen anderen Vorschlag. Unter das Straßenschild könnte ein kleines Schild mit Erläuterungen. „Das gibt es schon bei vielen Straßennamen in der Stadt, was ich sehr sinnvoll und begrüßenswert finde, weil es das Heimatgefühl stärkt“, sagt Schiffers. Allerdings gibt es einen Unterschied: Bei den bisherigen Erläuterungen geht es darum zu erklären, warum jemand als Namensgeber für eine Straße taugt. Für den anders gelagerten Fall Lettow-Vorbeck schlägt Schiffers vor: „Dt. General, Organisator des Völkermords an 100.000 Hereros in Südwestafrika“.
Das kann sich sein Nachfolger als Bezirksvorsteher, der CDU-Ratsherr Herbert Pauls, gar nicht vorstellen. Er hat nichts gegen Erläuterungen, auch nicht bei Paul von Lettow-Vorbeck. „Nur sachlich müssen sie sein und nicht einseitig“, sagt Pauls deutlich. „Und ich halte es nicht für richtig, die Diskussion zur Umbenennung nun nach dem eindeutigen Votum der Bürger nun noch einmal neu zu führen“, sagt Pauls.
Genau das ist im Gange, seit Schiffers seinen Vorschlag im sozialen Netzwerk Facebook postete. Der grüne Fraktionssprecher Karl Sasserath fordert, Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners müsse, um Schaden vom Ansehen der Stadt abzuhalten, umgehend dafür sorgen, dass die Straße umbenannt werde. Und er liefert auch gleich einen Vorschlag für einen neuen Namen mit. „Der sozialen Tradition Mönchengladbachs würde es gut zu Gesichte stehen, in einem weiteren Schritt zum ehrenden Andenken an das bedeutende Mönchengladbacher Stifterehepaar Josef und Hilde Wilbertz zu benennen“, schreibt Sasserath. Die Josef-und-Hilde-Wilbertz-Stiftung unterstützt mit regelmäßigen Spenden eine Reihe von sozialen Einrichtungen in der Stadt, darunter auch das Arbeitslosenzentrum, dessen Geschäftsführer Sasserath ist.