Regierung Nach Räumung Lützerath: CDU und Grüne loben Zusammenhalt in NRW

Düseldorf · CDU und Grüne in NRW sind in der harten politischen Realität angekommen. Die Räumung von Lützerath, das Desaster um die A45-Brücke - die junge schwarz-grüne Koalition hat in einem halben Jahr Amtszeit einige Belastungsproben erlebt. Aber die Partner stehen zusammen.

CDU und Grüne loben den Zusammenhalt in NRW – vor allem in Hinsicht der zahlreichen Probleme in den letzten Monaten.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Nach sieben Monaten im Amt hat die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen mit der Räumung des Braunkohledorfs Lützerath ihre erste große Bewährungsprobe hinter sich gebracht. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) betonten am Dienstag die Geschlossenheit der Koalition. „Diese Koalition arbeitet menschlich und inhaltlich gut zusammen“, sagte Wüst vor Journalisten. „CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen - das passt, das funktioniert.“ Schwarz-Grün in NRW habe auch Potenzial auch für die Zukunft und setze auf Pragmatismus statt Ideologie.

Grünen-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Neubaur zeigte sich etwas zurückhaltender und betonte die Eigenständigkeit ihrer Partei: „Die Grünen werden sich nicht in die CDU integrieren oder anders herum.“ Die Koalition lebe auch davon, dass sie immer wieder zueinander finden müsse. „Uns gelingt das auf eine sehr gute Weise.“ Konflikte, die in NRW existierten, würden gemeinsam gelöst.

Braunkohle: Lützerath im Rheinischen Revier war in einem tagelangen Großeinsatz der Polizei gegen den Widerstand Hunderter Klimaaktivisten geräumt worden, die sich dort verschanzt hatten. Der Energiekonzern RWE will dort Braunkohle abbauen. Die Grünen hatten die Entscheidung zur Räumung und zum Abriss von Lützerath mitgetragen - eine Belastungsprobe für die Öko-Partei. Denn dafür waren sie vor allem von Klimaschützern angefeindet worden, die ihnen Verrat vorwarfen. „Die letzten Wochen waren eine harte Zeit für die Grünen, auch für mich“, gestand Neubaur ein.

Kritik der Klimaschutzbewegung an den Grünen-Beschlüssen sei aber „in Ordnung“ und für sie aus Perspektive der Klimaschützer auch nachvollziehbar. Proteste könnten den „Druck der Straße“ in den politischen Raum bringen. „Es ist uns Antrieb, diese Kraft des Protests zu nutzen“, sagte Neubaur, verwies aber auch auf Erfolge. „Ich weiß, was wir erreicht haben, ganz konkret für die Menschen im Rheinischen Revier, was wir für den Klimaschutz erreicht haben.“

Wüst dankte sowohl der Polizei als auch den friedlichen Demonstranten, die „erfolgreich auf eine der größten Aufgaben unserer Zeit aufmerksam“ gemacht hätten. Bei den Einsätzen an dem Braunkohleort seien 102 der 3700 Polizisten verletzt worden. „Vielen von ihnen schlug auch dort Hass und Gewalt entgegen.“

Klima-Frieden? Wüst sieht nun die Möglichkeit „die Chance auf einen neuen energiepolitischen Grundkonsens in unserem Land“. Das Ende der Kohleverstromung sei in Deutschland mit klaren gesetzlichen Plänen beschlossen worden und in NRW sogar um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden. Der Ausstieg aus der Kernkraft sei besiegelt. Auch die Pariser Klimaschutzziele seien im gesamten demokratischen Spektrum anerkannt. Aber auch der Ausbau von Windkraft und Solarenergie werde „nicht unsichtbar“ bleiben, sagte er. „Auch das Energiesystem der Zukunft wird Debatten auslösen.“

Rahmede-Talbrücke: Das Desaster um die gesperrte marode Rahmede-Brücke auf der wichtigen Sauerlandlinie der A45 hat auch Wüst eingeholt. Er wies indirekt den Verdacht zurück, sich in die Entscheidungen um die marode Autobahnbrücke eingemischt zu haben. „Die Prüfung, ob und wann eine Brücke saniert oder neugebaut wird, ist und bleibt eine fachliche Erwägung der Straßenbauverwaltung“, sagte er. „Die Entscheidung, die Brücke nicht zu sanieren, also nicht zu reparieren, sondern auf einen Neubau zu warten, wurde 2014 getroffen - und sie war aus heutiger Sicht falsch“, sagte Wüst weiter. Er war von 2017 bis 2021 NRW-Verkehrsminister. Nun gehe es darum, die Folgen abzufedern und gleichzeitig den Neubau voranzutreiben.

Zum Vorwurf, dass im Zusammenhang mit der Rahmede-Brücke E-Mails gelöscht worden seien, sagte Wüst: „Es gibt klare Regeln im Umgang mit Akten und an die ist sich nach meiner Kenntnis auch in diesem Fall gehalten worden.“ Bei dem fraglichen E-Mail-Wechsel zur Vorbereitung eines Termins sei es auch nicht nur um die Rahmede-Brücke gegangen, sondern um den Stand mehrerer Verkehrsprojekte.

Energiewende und Bürokratie: Wüst sprach sich für einen „Pakt für Planungsbeschleunigung“ gemeinsam mit dem Bund aus. Genehmigungs- und Gerichtsverfahren müssten verkürzt werden. Wüst nannte den raschen Bau der LNG-Terminals als Beispiel. Man könne auch „Spaß dran kriegen, zügiger zu sein“. Zudem forderte er von der Ampel die Möglichkeit eine Sonderabschreibung auf Investitionen in grüne Technologien, um bei der Energiewende einen Schub auszulösen. Die CO2-neutralen Industrieanlagen der Zukunft müssten in NRW entstehen. Das auf der Welt „sattsam vorhandene private Kapital“ müsse den Weg nach Deutschland finden. Grünen-Ministerin Neubaur kann sich bei einem entsprechenden Schub für erneuerbare Energien sogar einen Kohleausstieg im Westen noch vor 2030 vorstellen.

Altschulden: Bei der Lösung des Altschuldenproblems der Kommunen in Höhe von rund 82 Milliarden Euro setzt Wüst weiter auf den Bund. „Bei der Bundesregierung ist die Zusage schlicht einzulösen, das man das mit uns gemeinsam regelt.“ Minister der Landesregierung seien mit Bundesfinanzminister Christian Lindner in einem „konstruktiven Austausch, das zu regeln“. Wüst weiß, dass er den Bund dringend braucht. Denn wenn der nicht mitmacht, dann hat die NRW-Regierung im Koalitionsvertrag zugesagt, noch dieses Jahr selbst einen Altschuldenfonds aufzulegen.

„Kleine Paschas“: Diese Äußerung des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz in Zusammenhang mit der Migrationsdebatte hatte bei vielen Empörung ausgelöst. Wüst wollte die Worte seines Parteifreunds zwar offiziell nicht kommentieren, betonte aber, dass Integrations- und Sozialisationsprobleme in Deutschland nicht auf Menschen mit Migrationshintergrund beschränkt seien. Er verwies auf Gewalt etwa bei Fußball-Hooligans oder bei Demonstrationen sowie in der Silvesternacht.

(dpa)