Kommunikation über den Tod hinaus: Der Dokumentarfilm „Eternal You“ erkundet das Geschäft mit der digitalen Unsterblichkeit Digitale Zwillinge der Verstorbenen
DÜSSELDORF · . Religionen versprechen es schon immer – das ewige Leben, das Weiterleben nach dem Tod. Aber viele Menschen wenden sich von den Religionen ab. Doch das Versprechen der Unsterblichkeit bleibt, nur die Anbieter sind jetzt andere: Technologie-Firmen stellen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) das Weiterleben nach dem Tod in Aussicht.
Der aktuelle Dokumentarfilm „Eternal You“ (Du bleibst auf ewig) erzählt verstörende Geschichten dieses rasant voranschreitenden Business. Der Film von Moritz Riesewieck und Hans Block befasst sich mit KI und Avataren, die Kontakt zu Verstorbenen ermöglichen. Doch wie hilfreich sind diese Wege der Trauerarbeit? Die Beispiele, die die Dokumentation zeigt, sind beeindruckend, aber auch gespenstisch.
Eine Frau chattet mit einem verstorbenen Freund, tippt an der Computertastatur die Frage ein, wie es ihm geht. „Nicht gut“, ist die Antwort. Wo er denn sei?, fragt sie. „In der Hölle“, bekommt sie zur Antwort. Und: Es sei dort dunkel und einsam. Sie weiß, es ist nur ein Gespräch mit einer Künstlichen Intelligenz. Ein sogenannter Deadbot, ein virtueller Gesprächspartner, der den Toten simuliert. Und doch ist sie verstört, fühlt sich nach diesem beunruhigenden Chat in der Pflicht, in Kontakt zu bleiben. Bei einem der nächsten Chats dann die erleichternde Antwort – es geht ihm besser. Sie hat Freudentränen in den Augen, will sich weiter um sein Wohlbefinden kümmern. Ja, ihr ist bewusst, dass das alles nicht real ist, doch längst ist sie angefixt von dieser Art des Trostes. Der Illusion, mit dem alten Freund verbunden zu sein.
Noch verstörender ist die in dem Film dokumentierte Geschichte einer Frau in Südkorea. Sie ist die Mutter einer mit sieben Jahren verstorbenen Tochter. Das Leid der Frau wird in einer Fernsehshow vor Millionenpublikum ausgebeutet. Ein Avatar ihrer verstorbenen Tochter ist gebaut worden, sieht aus und spricht wie das Kind. Und nun steht die Mutter da, im Fernsehstudio. Mit ihrer Virtual-Reality-Brille. Vor dem Bildschirm, auf dem der Avatar der Tochter über eine Wiese hüpft. Das Kind ruft nach der Mutter, fragt, „Mama, bin ich hübsch?“ Die Mutter schluchzt: „Ich habe dich so vermisst.“ Sie streckt ihre Arme aus, will die Tochter berühren, greift ins Leere.
Schon erstaunlich weit entwickelt sind diese bösen Spiele. Die Technik schreitet rasant voran mit Hilfe Künstlicher Intelligenz. Die Illusion kommt der Realität immer näher.
Die Illusion ist
so täuschend
Und mit zunehmender Perfektion werden auch die Geschäftsaussichten immer lukrativer. Gefüttert mit Sprachproben, Fotos, Videos und allem Möglichen, was der Verstorbene im Internet hinterlassen hat, entsteht sein digitaler Zwilling. Eine Kopie, die sich dann auch weiterentwickeln lässt, indem das, was da gespeichert ist, kombiniert wird mit allem Weltwissen aus dem Internet. Unternehmen kombinieren nicht nur das neu, was der Verstorbene gesagt hat, sondern eben auch das, was er in Zukunft sagen würde. So kann etwa der Familienvater, der zu Lebzeiten immer Ratgeber der Sippschaft gewesen ist, mit jedem nur erdenklichen Problem behelligt werden: Sag mal, unser Auto macht so seltsame Geräusche, was kann dahinter stecken? Die Stimme des Verstorbenen gibt entsprechenden Rat.
Block und Riesewieck beschäftigen sich seit Jahren mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Mensch und Gesellschaft. In ihrer Doku kommt auch eine Familie vor, die sich im Haus des Verstorbenen versammelt. Per Tastatureingabe werden dem Verstorbenen Fragen gestellt, die Antworten kommen über Lautsprecher. Alle wissen, er ist nicht mehr da, und doch ist die Illusion so täuschend, dass der Verstorbene ganz nah erscheint. Na und, mag man denken, ist doch schön. Und besser als wir es kennen. Bislang hängt nur das gerahmte Foto des Verstorbenen an der Wand. Stumm. Wir tauschen uns mit anderen Hinterbliebenen aus, erinnern uns, erzählen Anekdoten von früher. Da kann eine solch plastische Erinnerungskultur doch viel besser sein. Der oder die Verstorbene ist irgendwie mit dabei. Einfach eine neue Art, der Toten zu gedenken. Trauerrituale hätten sich verändert, sagten die Filmemacher jüngst in München.
Die Menschen stehen doch auch sonst am Grab und sprechen in Gedanken zu dem Verstorbenen. Nur – da kommt keine Antwort. Wenn es diese Antworten nun aber doch auf einmal gibt, so hat das einen Suchtfaktor. Doch die Sätze aus dem Jenseits, ob geschrieben oder gesprochen, sind und bleiben künstlich erzeugt. Sie sind Fake. Und sie können irreleiten, können verstören. Je länger der Hinterbliebene sich mit diesem digitalen Zwilling befasst, umso näher, vertrauter mag er werden. Es entsteht eine Abhängigkeit. Der Realität, dass der Verstorbene weg ist, und zwar endgültig weg, wird nicht ins Auge geschaut. Doch das „Ende der Endlichkeit“, so der Untertitel des Films, gibt es nicht. Es wird den Menschen von Geschäftemachern eingeredet. Die Filmemacher beziehen auch selbst Stellung. Regisseur Hans Block: „Was macht das mit den Menschen? Das gab es so in dieser Form noch nie. Deswegen ist es auch umso wichtiger, zu sagen, was die ethischen Probleme sind. Denn das sind alles keine Experimente, die medizinisch kontrolliert werden, mit Psychologen im Hintergrund. Das sind Tech-Firmen, die von solchen Fragen oft keine Ahnung haben.“
„Eternal You – vom Ende der Endlichkeit“, Regie und Buch: Hans Block und Moritz Riesewieck. Farbfilm, 86 Minuten, läuft seit Ende Juni in den Kinos.