Streit um Räumung 2018 NRW-Innenminister: Hambacher Forst wird wohl nicht mehr geräumt

Düsseldorf · Herbert Reul (CDU) wehrt sich im Landtag gegen Vorwürfe, Interessen von RWE vertreten zu haben. Für eine erneute Räumung sieht er aber derzeit keine Grundlage.

Eine Szene von der Räumung des Hambacher Forstes vor einem Jahr: Aktivisten an die Bäume gefesselt, die sie schützen wollen.

Foto: dpa/David Young

Ein Jahr ist es her, dass ein Großaufgebot der Polizei den Hambacher Forst stürmte und die ersten Baumhäuser räumte – doch die politische Debatte im Düsseldorfer Landtag ist so hitzig und emotional, als wäre kein Tag vergangen. Im Innenausschuss hat sich Minister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag gegen den Vorwurf der Opposition wehren müssen, er sei bei dem Großeinsatz lediglich Handlanger des Energieriesen RWE gewesen. Er weist das weit von sich und sagt: „Das geht an die Ehre!“

Den Eindruck indes habe er selbst erweckt, erklärt SPD-Innenpolitiker Hartmut Ganzke. Wenn Sicherheit für Leib und Leben damals im Vordergrund der Räumung gestanden habe, müsste Reul konsequenterweise auch jetzt wieder einschreiten. Verena Schäffer von den Grünen moniert, dass erst jetzt Gespräche zwischen Reul und RWE im Vorfeld des Großeinsatzes im Herbst 2018 bekannt wurden. „Das hat mit Transparenz, die Sie immer predigen, wenig zu tun.“ Indem er Rechtsgutachten zu möglichen Gründen für eine Räumung beauftragt habe, habe er „das Recht instrumentalisiert, um die Interessen eines Großunternehmens durchzusetzen“, wirft sie ihm vor. „Sie haben sich als Innenminister zum Interessenvertreter von RWE gemacht!“

Wald war 2018 „Sammelbecken für Chaoten und Radikale“

Reul schießt zurück, indem er auf das Recht des Konzerns auf Rodung verweist – festgelegt durch eine Leitentscheidung unter Rot-Grün: „Es war Ihre Landesregierung, die im Juli 2016 das Todesurteil über den Hambacher Forst gefällt hat.“ Und nachdem RWE im Juli 2018 erklärte, sein Rodungsrecht nunmehr wahrnehmen zu wollen – anders als im Vorjahr –, habe die Vorplanung bei der Polizei beginnen müssen. Der Wald sei zu jenem Zeitpunkt ein „Sammelbecken für Chaoten und Radikale aus ganz Europa“ gewesen. „Es wurde mit Zwillen auf RWE-Mitarbeiter geschossen, es flogen Steine und Molotow-Cocktails“, berichtet Reul. Er habe befürchtet, dass die Lage bei Beginn der Rodung eskalieren werde: „Ich wollte nicht warten, bis im Wald die große Schlacht ausbricht“, so Reul deutlich.

Sein Problem sei gewesen: Das Polizeirecht könne nur reagieren, lasse keine präventiven Handlungen zu. Deshalb wollte er per Gutachten klären, welche andere Grundlage für eine vorhergehende Räumung es geben könne. „Der Rat, den wir bekommen haben, war goldrichtig“, erklärt er nun mit Blick auf die Expertise einer Kanzlei sowie auf die Gerichtsurteile, die das Vorgehen der Landesregierung später bestätigten.

Reul äußert Unverständnis, dass seine Gespräche mit RWE im Vorfeld der Räumung jetzt skandalisiert werden. Vorbesprechungen zu Großeinsätzen führe man selbst mit Rechtsextremen vor einer Demo. „Nur bei Gesprächen mit RWE darf man nicht gesehen werden.“ FDP-Mann Marc Lürbke bekräftigt, es handele sich immerhin nicht um „eine kriminelle Vereinigung“, und vor allem um den Eigentümer des Forstes. Reul stellt klar: „Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul ist niemals Handlanger!“

Eine Nachfrage beschäftigt die Oppositionspolitiker besonders: Wenn damals „Null Toleranz“ galt – müsse sie dann nicht auch heute gelten und wieder geräumt werden? Reul sagt, er habe in der Tat Bauchschmerzen bei den Rechtsverstößen, die derzeit im Hambacher Forst begangen würden. Aber: „Allein meine Prinzipien rechtfertigen eine Räumung nicht.“ Sie müsse auch verhältnismäßig sein. Und zwei Voraussetzungen hätten sich zum Vorjahr geändert. „Es kommt kein Bagger“, so der Minister. Somit stehe eine Eskalation nicht ins Haus. Und: Die Gruppe der Störer innerhalb der Waldbesetzer nehme ab. „Wenn Sie mir den Vorwurf machen wollen, die Landesregierung muss da jetzt rein, nehme ich ihn einfach auf.“ Er hoffe, dass nach einer endgültigen Entscheidung über die Zukunft des Waldes eine friedliche Lösung mit den Aktivisten zu finden sei.