NRW-Finanzen „Landeshaushalt ist in prekärer Lage“

DÜSSELDORF · Brigitte Mandt, die Präsidentin des nordrhein-westfälischen Landesrechnungshofs, stellt den Jahresbericht der Finanz-Kontrolleure vor.

Brigitte Mandt, Präsidentin des Landesrechnungshofs von Nordrhein-Westfalen

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Wenn Brigitte Mandt, die Präsidentin des NRW-Landesrechnungshofs, einmal im Jahr vor die Presse tritt, um den Jahresbericht ihrer Kontrollbehörde zur Lage der Landesfinanzen vorzustellen, dann bedeutet dies selten Gutes für den jeweiligen Finanzminister. Der Bericht des Jahres 2022 hatte die Oppositionsfraktionen im Landtag, SPD und FDP, sogar ermuntert, die schwarz-grüne Landesregierung wegen ihrer Haushaltpolitik vor dem Landesverfassungsgericht zu verklagen. Das Verfahren läuft noch. Mit dem neuen Bericht 2023 legt Mandt kräftig nach. Der Landeshaushalt befinde sich in einer prekären Lage, sagt sie.

Die Ausgaben des Landes seien im Jahr 2022 auf einen Höchstwert von 108,3 Milliarden Euro gestiegen. Auch der Schuldenstand des Landes liege nun bei einem neuen Rekordwert von fast 164 Milliarden Euro. Ihre Bewertung: „Nordrhein-Westfalen hat sich damit von einer soliden und generationsgerechten Haushaltspolitik ein gutes Stück weiter entfernt.“  An der vom Landesrechnungshof seit Jahren geforderten und nun überfälligen Haushaltskonsolidierung führe kein Weg mehr vorbei. Alle Aufgaben und Ausgaben müssten auf den Prüfstand gestellt werden, fordert Mandt.

Der Schuldenstand pro Bürgerin und Bürger habe 2021 bereits bei 8917 Euro gelegen. Wegen des steigenden Zinsniveaus gehe das Finanzministerium davon aus, dass sich allein die Zinsausgaben von rund 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2026 erhöhen. Das übersteige dann sogar schon den Etat des Kommunalministeriums. „Die Zinszahlungen binden bereits jetzt erhebliche Haushaltsmittel“, sagt Mandt.

Sie kritisiert erneut, dass der Zuwachs des Schuldenstandes, auch wenn er bedingt war durch die im Rahmen des Corona-Rettungsschirms aufgenommen Kredite, „unnötig zu hoch war“. Und zwar um rund fünf Milliarden Euro zu hoch. Das Land hätte zunächst auf Mittel aus der allgemeinen Rücklage in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zurückgreifen müssen. Auch seien die im Oktober und November 2022 aufgenommenen Kredite in Höhe von rund 4,1 Milliarden Euro nicht notwendig gewesen. Die Kredite sollten nun „umgehend getilgt“ werden.

Der Landesrechnungshof sieht sich nicht nur als Kritiker. Seine Aufgabe sei auch konstruktiv, sagt Mandt. Darum enthält der Jahresbericht auch zahlreiche Beispiele, wie gespart und wie mehr Einnahmen vom Land generiert werden können. Zwei der von Mandt erwähnten Beispiele:

So hätten die Kontrolleure des Landesrechnungshofs festgestellt, dass die Finanzämter bei der Anerkennung von Werbungskosten in der Steuererklärung zu großzügig oder lax vorgehen. Jede dritte Bearbeitung von Einkommenssteuerfällen von über 5000 Euro sei insoweit fehlerhaft gewesen. Entweder weil steuermindernde Tatsachen zu Unrecht anerkannt oder unzureichend geprüft wurde. Hochgerechnet hätten hier bei einer besseren Fallbearbeitung 22 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen generiert werden können.

Bei der Herrichtung von Flüchtlingsunterkünften in mietzinsfrei überlassenen Bundesimmobilien (meist ehemalige Kasernen) habe NRW von 2015 bis 2022 mehr als 117 Millionen Euro ausgegeben. Das Land könne sich die Kosten vom Bund erstatten lassen. Eben dies hätten die dafür zuständigen Bezirksregierungen aber nur teilweise beantragt und damit (bislang) auf die Geltendmachung von hohen Millionenbeträgen verzichtet. Inzwischen habe die Landesregierung das Problem erkannt und die Bezirksregierungen zum Handeln verpflichtet.

Der Bericht des NRW-Landesrechnungshofes enthält zahlreiche solcher  Beispiele. Selbst wenn sie in Relation zum Landeshaushalt nur einen kleinen Teil an Einsparungs- oder Einnahmemöglichkeiten darstellten, so stünden sie doch exemplarisch für das Verwaltungshandeln generell, sagt Mandt. Und seien Anreiz für mehr Disziplin, überall genau hinzuschauen, wo es noch Potenzial gibt. Mandt betont: „Ich möchte nicht als Groschenzähler auftreten, aber es lohnt sich, jeden Euro zu betrachten, den man ausgeben möchte.“ Das sei eine Frage des Bewusstseins im Verwaltungshandeln und könne auch Einfluss auf das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger haben.