Schutz gegen Corona Gesichtsvisiere erfüllen in NRW nicht überall die Maskenpflicht – ist das sinnvoll?

Düsseldorf · Gesichtsschirme zum Schutz vor Corona? Das kann viele Vorteile haben, gleichwertig mit einem Mund-Nasen-Schutz sind sie nach Ansicht der NRW-Regierung jedoch nicht und erfüllen damit auch nicht überall die Maskenpflicht.

Die vor dem Gesicht angebrachten Plastikscheiben werden immer beliebter. Doch sie sind längst nicht überall erlaubt und werden teils auch kritisch betrachtet.

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Man sieht sie immer häufiger: Verkäufer an Marktständen tragen sie, Kellner in Restaurants, Mitarbeiter in Möbelhäusern – Gesichtsvisiere statt des üblichen Mund-Nasenschutzes. Ab und an begegnet einem auch ein Passant in der Einkaufsstraße, der einen solchen Anti-Corona-Schutz favorisiert. Ist das genauso effektiv oder gar besser als die allgegenwärtige Maske? Und geht es auch in Ordnung, wenn der Supermarktkunde bei seinem Einkauf darauf zurückgreift?

Nach der Coronaschutzverordnung des Landes NRW lautet die klare Antwort auf die zweite Frage: Nein.  § 2 spricht nämlich von einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch). Ein textiler Schutz sollte es also sein, keiner aus Kunststoff. Eine Regelung, die Jan Wagner nicht nachvollziehen kann. Er ist Interims-Manager des Erkrather Unternehmens Cutall. Ein Unternehmen, das sein eigentliches Geschäft vor allem im Messe- und Ladenbau hat. Auf die Coronakrise reagierte man schnell und vermied die drohende Kurzarbeit dadurch, dass man sich auf die Produktion der Visiere konzentrierte, sagt Wagner.  Die werden im Internet für 15,90 Euro pro Stück verkauft. Die Produktionskapazität liege bei 100 000 Stück am Tag, sagt er, ohne aber darauf einzugehen, wie viele man tatsächlich verkauft. Die Mitarbeiter der Möbelhauskette Ikea trügen die Produkte aus Erkrath, so viel verrät der Manager.

Gesichtsschild schützt auch die Augenpartie

Er verweist mit Leidenschaft darauf, welche Vorteile die Visiere im Vergleich zum üblichen Mund-Nasen-Schutz hätten. Anders als dieser biete das Visier auch demjenigen Schutz, der es trägt. Der leichte Kunststoff (Material PETG) sei eine starre Barriere in beiden Richtungen für durch Tröpfchen übertragene Viren. Und schütze dabei, anders als eine Maske, auch die Augen.  Gehörlose könnten einem Maskierten nicht von den Lippen ablesen, wohl aber einem Visierträger. Jeder könne den im sozialen Leben doch so wesentlichen Gesichtsausdruck seines Gegenüber bei einem Visierträger wahrnehmen, nicht aber bei einem Maskierten.  Dass die Visiere ästhetisch gewöhnungsbedürftig aussehen, lässt Wagner nicht gelten. Das treffe doch genauso auf die Masken zu. Und auch an Fahrradhelme habe man sich doch längst gewöhnt.

So wie vorher schon Hamburg und Rheinland-Pfalz ist vor ein paar Tagen auch Hessen dazu übergegangen, Gesichtsvisiere als Schutz zu akzeptieren. Und selbst in der NRW-Verordnung heißt es, dass, soweit es um Beschäftigte geht, die Maskenpflicht auch „durch gleich wirksame Schutzmaßnahmen (Abtrennung durch Glas, Plexiglas o.ä.) ersetzt werden kann“. Gemeint sind damit zunächst mal Spuckschutzwände, aber das müsse doch genauso für einen entsprechenden mobilen Schutz gelten, meint Wagner. Und auch nicht nur für Beschäftigte etwa eines Handelsunternehmens, sondern auch für die Kunden.

Das NRW-Gesundheitsministerium, mit diesen Argumenten und auch mit dem Hinweis auf die Praxis in drei anderen Bundesländern konfrontiert, geht da aber nicht mit. Ein Sprecher von Minister Karl-Josef Laumann (CDU) betont, die Anordnung zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten Bereichen diene vor allem dem Drittschutz, also dem Schutz vor der Übertragung von SARS-CoV-2 durch potentiell infizierte Personen via Aerosole in der Atemluft, beim Niesen etc.

Diesen Schutz stelle – auch nach Einschätzung der Robert Koch-Institutes – das Tragen eines Visieres (etwa aus Plexiglas) nicht in der gleichen Weise sicher, wie eine eng am Gesicht anliegende Mund-Nase-Bedeckung. Daher seien Visiere kein grundsätzlicher Ersatz für eine Mund-Nase-Bedeckung.

Allerdings könnten Visiere da, wo das dauerhafte Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung mit sich bringt, aus Gründen des Arbeitsschutzes geboten sein. „Vorrang hat aus Gründen des Infektionsschutzes aber eindeutig das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung.“

Das Robert-Koch-Institut, auf das sich das NRW-Gesundheitsministerium bezieht, erklärt die Sache so: „Die Mund-Nase-Bedeckung muss richtig über Mund, Nase und Wangen platziert sein und an den Rändern möglichst eng anliegen, um das Vorbeiströmen von Luft an den Seiten zu minimieren. Durch das Tragen einer solchen Mund-Nase-Bedeckung könne die Geschwindigkeit des Atemstroms oder des Speichel-/Schleim-Tröpfchenauswurfs reduziert werden. Visiere dagegen könnten in der Regel maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen auffangen.“