NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur fordert Brückenstrompreis NRW-Wirtschaft leidet unter Energiepreisen
Düsseldorf · Der Wirtschaftsmotor stottert, im Bund, im Land NRW vor allem. Es gibt zwar Anzeichen einer Erholung, doch ein Faktor bringe die Geschäfte der Unternehmer ins Wanken, so NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur.
Die Botschaften sind schon länger keine mehr, mit denen sich auftrumpfen lässt. Der Wirtschaftsmotor stottert, im Bund, im Land NRW vor allem. Die mannigfaltigen Krisen belasten. Am Montag haben nun Konjunkturforscher mit der Konjunkturprognose aufgezeigt, dass sich die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr etwas erholen wird. Das Forschungsinstitut RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) nimmt in seiner im 21. Stock des Wirtschaftsministeriums vorgestellten Prognose ein Wachstum des NRW-Bruttoinlandsprodukts von 0,8 Prozent an. Für das gesamte Bundesgebiet rechnen die Experten mit 1,3 Prozent Wachstum. Für das laufende Jahr geht das RWI derweil von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in NRW um 1,1 Prozent aus. Bundesweit rechnen die Experten mit einem Minus von 0,6 Prozent.
Die starken Rückgänge, so der leitende RWI-Konjunkturforscher Torsten Schmidt, seien deutlich bereits im zweiten Halbjahr 2022 zustande gekommen oder spürbar gewesen. Vor allem durch den Effekt der „stark gestiegenen Energiepreise“. Ein Effekt, der vor allem Nordrhein-Westfalen betreffe mit seiner energieintensiven Industrie. „Dort sehen wir einen deutlich stärkeren Einfluss“, so Schmidt.
Die Entwicklung der NRW-Industrie sei gar nicht viel schlechter als im Rest der Republik, aufgrund ihres enormen Gewichts aber wirke sie sich aber auf die Gesamtentwicklung in NRW stärker aus. Im ersten Halbjahr 2023 sei die Wirtschaft derweil stagniert. Das dritte Quartal „wird noch einmal schwach gewesen sein“, sagte Schmidt weiter. Die im laufenden Quartal einsetzende wirtschaftliche Erholung werde im vierten Quartal vor allem vom privaten Konsum getrieben, so der RWI-Konjunkturexperte. Die real verfügbaren Einkommen seien bereits gestiegen. „Das wird sich nach und nach bemerkbar machen.“ Investitionen würden erst im Laufe des nächsten Jahres ansteigen. Auch vom Außenhandel werde man dann einen Auftrieb erleben, „eine gewisse Erholung, die dann auch bei den deutschen und nordrhein-westfälischen Exporten zu spüren sein wird“.
„Die ersten Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung deuten sich bereits am Horizont an“, sagte deswegen die Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur (Grüne) bei der Vorstellung der Prognose, die sie gleichwohl mit folgenden Worten einleitete: „Keine gute Nachrichten.“ Vor allem, weil die Energiepreise auf absehbare Zeit auf hohem Niveau blieben. „Daher brauchen wir einen Ausbau der Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren und für die Übergangszeit eine Absenkung der Energiesteuer und einen Brückenstrompreis. Und zwar jetzt“, sagte Neubaur, die seit Wochen für einen sogenannten Industriestrompreis wirbt, bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) damit aber kein Gehör findet.
Es falle ihr sichtbar schwer, diese Frage nach dem Brückenstrompreis noch im Konjunktiv beantworten zu müssen, sagte Neubaur. Der nämlich sei genau jener Faktor, der die Geschäfte der NRW-Unternehmer derzeit ins Wanken bringe und Investitionen in größerem Ausmaß schlicht verhindere. „Wir werden nicht aufhören, über alle 16 Bundesländer hinweg, mit dem Landtag in NRW und übrigens hier auch mit der Opposition für unsere Industrie zu kämpfen. Dass es noch nicht entschieden ist, ist in der Verantwortung des Bundeskanzleramts“, so Neubaur kämpferisch. „Herr Scholz kann das entscheiden. Und aus NRW-Perspektive ist es höchste Zeit, das ,Ob‘ mit einem ,Ja‘ zu beantworten.“ Neubaur sprach sich auch dafür aus, über eine Aufhebung der Schuldenbremse nachzudenken und in Deutschland ähnlich wie in Indien, den USA oder China strukturelle Probleme mit Investitionen zu beheben. Schmidt kündigte wie zur Unterstützung an, dass Teile der Produktion energieintensiver Unternehmen wohl dauerhaft für NRW verloren gingen. „Bei diesen hohen Energiepreisen wird man nicht die gesamte Produktion zurückholen.“
Noch weniger optimistisch als die Wirtschaftsforscher sind derweil Industrie und Handel. „Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen – insbesondere die Industrie – steckt in der Krise“, sagte der Präsident der Industrie- und Handelskammern NRW, Ralf Stoffels, unter Berufung auf die jüngste Konjunkturumfrage der Kammern in NRW unter 4500 Unternehmen, die heute auch noch regional ausgewertet und der Öffentlichkeit präsentiert wird. Nach einer kurzzeitigen Stabilisierung zur Jahresmitte habe sich die wirtschaftliche Situation zum Herbst verschlechtert. „Es sind die hohen Energiepreise, steigenden Arbeitskosten und der deutliche Zinsanstieg, die auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer NRW-Wirtschaft drücken.“ Die Aussichten auf die nächsten Monate blieben leider trübe, sagte Stoffels. Die Erwartungen der Unternehmen lägen aktuell auf einem Tiefststand. Und in der energieintensiven Industrie sei die Lage ohnehin bereits wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit im negativen Bereich. „Wir müssen jetzt schnell ins Handeln kommen“, sagte Stoffels und plädierte dafür, den Spitzenausgleich bei der Energiesteuer zu erhalten, die Stromsteuer insgesamt zu senken und den Brückenstrompreis einzuführen – auch für den energieintensiven Mittelstand. Zudem müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren endlich verkürzt werden. „Das liegt seit 1,5 Jahren auf dem Tisch“, so Stoffels. Vor allem fünf Faktoren belasteten die Unternehmen, wie Stoffels ausführte. In folgender Reihenfolge: die Energiekosten, der Fachkräftemangel, die Inlandsnachfrage, die Arbeitskosten – und die politischen Rahmenbedingungen.