Wohnungsmarkt NRWs Dörfer sind vom Aussterben bedroht

Die Städte boomen, aber auf dem Land kämpft man um jeden Einwohner. Der Mieterbund fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur — und zur Not Subventionen.

Eine Siedlung mit neu gebauten Wohnhäusern in Gelsenkirchen: Während die Städte immer beliebter werden, kämpfen die Dörfer um jeden Einwohner.

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Düsseldorf. Bauen, bauen bauen — so sieht die Lösung der Landesregierung für die wachsende Wohnungsnot in den Städten aus. Doch auch in Ina Scharrenbachs (CDU) Bauministerium weiß man: NRW „verfügt über einen der heterogensten Wohnungsmärkte der gesamten Bundesrepublik“. Während die Innenstädte aus allen Nähten platzen, kämpfen die Dörfer um ihre Einwohner — zum Teil mit kreativen Konzepten. Der Mieterbund fordert aber auch von der Regierung in Düsseldorf mehr Geld gezielt zugunsten der Infrastruktur auf dem Lande.

Ein Vergleich zeigt die Spanne, in diesem Bundesland: Laut Ministerium liegen Angebotsmieten in Köln inzwischen bei 9,71 Euro pro Quadratmeter — in Beverungen im Kreis Höxter hingegen bei 3,94 Euro. Hans-Jochem Witzke vom Deutschen Mieterbund Nordrhein-Westfalen konstatiert sogar einen „Wohnungsüberschuss“ in manchen ländlichen Gemeinden in der Eifel, dem Sauerland und entlang der hessischen Grenze. „Das liegt daran, dass dort Bevölkerungsschwund herrscht“, sagt er.

Die Menschen im Land zieht es in die Städte. Aber Mittelverdiener mit zwei Einkommen haben es, so Witzke, mittlerweile etwa in Düsseldorf schon schwer, eine bezahlbare Wohnung im Neubau zu finden. Von dieser Entwicklung profitierten vor allem die kleinen und mittleren Städte. Zumal die Gemeinden ab 10 000 Einwohner inzwischen oft eine gute Wirtschaftspolitik betrieben, um attraktiver Lebensraum zu sein, erklärt Axel Quester vom Immobilienverband Deutschland. Er nennt als Beispiel Kamp-Lintfort, das mit niedriger Gewerbesteuer und der Abschaffung von Kindergartenbeiträgen erfolgreich für sich warb. „Diese Städte funktionieren eigenständig, nicht nur als Speckgürtel für die Metropolen.“ So verzeichnet der Preisspiegel seines Verbandes für 2018 auch in den Städten mit bis zu 50.000 Einwohnern und jenen mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern fast durchgängig Mietsteigerungen.

Das Landleben verliere dagegen, sagt Witzke vom Mieterbund. Größter Faktor sei die Infrastruktur — Ärzte oder Einzelhändler wanderten ab, weil das Landleben nicht attraktiv sei, und durch deren Abwesenheit werde es wiederum unattraktiver für potenzielle Neubürger. Hier müsse die Politik einspringen. Witzke fordert, gezielt Infrastruktur auf dem Dorf aufzubauen, „auch wenn das nicht kostendeckend ist“. Konkret: Etwa die Ansiedlung eines Nahversorgers zu subventionieren.

Die Landesregierung reagiert bislang mit Initiativen wie „Bauland an der Schiene“ und dem Plan, gezielt im Einzugsgebiet der Bahn-Haltestellen Wohnungen zu schaffen — so haben die Bewohner ein Heim, aber auch den Anschluss an die Ballungsräume. Das Umweltministerium hat im Programm „Ländlicher Raum 2014-2020“ vielfältige Fördermöglichkeiten für Gemeinden etwa für „Dorferneuerung“ und „Investitionen in dem ländlichen Charakter angepasste Infrastrukturen“ gebündelt.

Laut NRW-Bank gibt es allerdings auch viele Dörfer und Kleinstädte, die selbst aktiv werden und ihre Zukunft sichern. In Delbrück im Kreis Paderborn etwa bringe das Bang Starter-Center Jugendlichen die Berufsmöglichkeiten in örtlichen Betrieben näher. Das Programm „Heimvorteil HSK“ soll Exil-Sauerländer zur Rückkehr bewege — mit Hilfe bei der Jobsuche und Werbung für die Freizeitgestaltung. Und die Gemeinde Hiddenhausen im Kreis Herford unterstützt mit ihrer Initiative „Jung kauft Alt“ junge Familien beim Erwerb von alten Häusern.