Oberverwaltungsgericht AfD gegen Deutschland

Update | Münster · Den Anwälten der AfD gelang es abermals nicht, den Prozess zu verzögern. Es geht um die Einstufung der Partei als „rechtsextremen Verdachtsfall“.

Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht lief unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster der Prozess der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen die Bundesrepublik Deutschland begonnen. Darin geht es um die Einstufung der Partei als "rechtsextremer Verdachtsfall". So hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD eingeordnet. Eine Klage der Partei dagegen wies das Verwaltungsgericht Köln zurück.

Das OVG Münster ist nun die zweite Instanz, die sich mit dem Fall beschäftigt. Es geht um viel, für beide Seiten. Der Staat will auf der Hut sein vor umstürzlerischem Treiben und sieht mit steigender Besorgnis, dass die AfD kaum zehn Jahre nach ihrer Gründung zumindest in ostdeutschen Landesparlamenten auf Kurs Regierungsübernahme sind. Die AfD fürchtet das Etikett "rechtsextrem", das ihr am Ende des dreistufigen Verfahrens aufgedruckt werden könnte. Auf "Prüffall" folgt "Verdachtsfall" und darauf folgt das Prädikat "erwiesen rechtsextreme Bestrebung". Eine solche, faktisch fundierte Erkenntnis könnte den einen oder anderen potenziellen Wähler von seiner Stimmabgabe für die rechtspopulistische Partei abhalten. Das zumindest fürchtet die AfD. Deren NRW-Landesvize, Stefan Brandner, ereiferte sich denn auch gegenüber dem Deutschlandfunk, der Verfassungsschutz wolle die AfD "vernichten".

Das Gericht lehnte
sämtliche Anträge ab

Die Partei wehrt sich dagegen vor dem OVG mit allen üblichen Mitteln. Zum Auftakt der Verhandlung am Dienstag stellte Partei als Klägerin die Zusammensetzung des Senates zusammen, außerdem ging es um die mögliche Befangenheit eines Beisitzers, der an einer Demonstration gegen eine Versammlung der AfD teilgenommen haben soll. Schließlich beantragte die Rechtsvertretung der Partei eine Vertagung. Sie sah sich nicht in der Lage, mehr als 4000 Seiten und 116 Stunden Videomaterial zu sichten und zu bewerten, das ihr vor mehr als zwei Monaten, am 9. Januar, zur Verfügung gestellt worden war. Das Gericht lehnte sämtliche Anträge ab und sah sich danach mit einem Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat konfrontiert.

Außerhalb von Gericht und der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) rücken immer neue Recherchen von Journalistinnen und Journalisten die AfD in ein zunehmend schlechtes Licht. So hat der Bayerische Rundfunk nach eigenen Angaben herausgefunden, dass die Bundestagsabgeordneten der AfD deutlich mehr erwiesen rechtsextremistische Mitarbeiter beschäftigen sollen als bisher angenommen. Das gelte so auch für das unmittelbare Umfeld der Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Darüber hinaus wirkt das Geheimtreffen in Potsdam nach, in dem im Beisein auch von AfD-Mandatsträgern über eine Deportation von Millionen Menschen nach Afrika ging. Diese Haltung hat auch bei rechtspopulistischen Parteien in Frankreich und Italien zu Missmut geführt.

Im Foyer des Münsteraner Verwaltungsgericht wird die Klage der AfD gegen Deutschland am Mittwoch weiter verhandelt. Alle Versuche scheiterten am Dienstag, den Senat insgesamt als befangen aus dem Verfahren zu nehmen. Damit gelang es den Anwälten der AfD abermals nicht, den Prozess zu verzögern. Darauf kommt es der Partei anscheinend aber an. Je länger das Verfahren dauert, desto länger kann sie ihre Opferrolle spielen. Das hülfe ihr womöglich im Juni an den Urnen zur Europawahl und im September, wenn in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landesparlamente gewählt werden.

Deshalb ging am Dienstag auch das Spiel auf Zeit der AfD-Anwälte weiter. Das zumindest warf die Verteidigung den Klägeranwälten vor. Nachdem der Versuch gescheitert war, die Öffentlichkeit vom Verfahren auszuschließen, weil aus geheimen Unterlagen zitiert werden müsse, hagelte es nämlich Beweisanträge. So entstand eine lange Liste von Zeuginnen und Zeugen, die allesamt im BfV arbeiten und bestätigen sollten, dass ein neues Gutachten über die AfD besteht. Darin werde die AfD zum Prüffall herabgestuft. Laut BfV ist dieses Gutachten allerdings noch gar nicht fertiggestellt.