Säure-Anschlag in Haan Revision nach Schuldspruch in Säure-Prozess

Haan · Die Verteidigung hat gegen das Urteil im zweiten Säure-Prozess Revision eingelegt. Marco L war vor rund zwei Wochen zu elf Jahren Haft verurteilt worden.

Energie-Manager Bernhard Günther nahm als Zeuge vor Gericht am Prozess gegen Marco L. teil.

Foto: dpa/Henning Kaiser

(tobi/dpa) Der zweite Prozess um den Säureanschlag auf Energie-Topmanager Bernhard Günther wird wie der erste den Bundesgerichtshof beschäftigen. Einer der beiden Verteidiger habe gegen das Urteil fristgerecht Revision beantragt, sagte eine Sprecherin des Wuppertaler Landgerichts auf dpa-Anfrage.

Für den Anschlag vor sechs Jahren im Haaner Musikantenviertel war ein zweiter mutmaßlicher Täter vor gut zwei Wochen wegen schwerer Körperverletzung zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Die Verteidiger hatten einen Freispruch beantragt. Ein erster Attentäter war bereits 2022 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Landgerichts wollten beide Attentäter erreichen, dass Günther erblindet.

Bernhard Günther wurde
mit Schwefelsäure übergossen

Auf Günther war am 4. März 2018 ein Anschlag verübt worden: Zwei Männer lauerten dem Manager in der Nähe seines Privathauses auf und übergossen ihn mit hoch konzentrierter Schwefelsäure. Günther wurde schwer verletzt. Er musste sich zahlreichen Operationen unterziehen und drohte zeitweise zu erblinden. Günther war damals Finanzchef des Energiekonzerns Innogy, der wenige Tage später vom Eon-Konzern übernommen wurde.

Der kürzlich verurteilte Marco L. hatte seine Tatbeteiligung bis zuletzt bestritten: Er sei zur Tatzeit in Belgrad gewesen, um dort an einer Gedenkfeier für seinen verstorbenen Vater teilzunehmen. Die Anwälte von Marco L. waren zuvor damit gescheitert, noch Alibi-Zeugen aus Serbien laden zu lassen, die das hätten bezeugen sollen. Das Gericht lehnte die Beweisanträge ab mit der Begründung, sie würden nicht zur Wahrheitsfindung beitragen.

Bei der Urteilsbegründung stützte sich der Vorsitzende Klaus Blume vor allem auf den anonymen Hinweisgeber, der Marco L. und einen weiteren, bereits verurteilten Mann – Nuri T. – als Täter identifiziert hatte. Knapp 200 000 Euro Belohnung waren an jene „Quelle 1“ geflossen, die sich mit konkreten Angaben zu den Hintergründen der Tat bei der von Bernhard Günther hinzugezogenen Detektei gemeldet hatte. Als Zeuge gehört wurde der Hinweisgeber nicht, er hatte die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden verweigert.

Bereits im Herbst 2019 war der nun verurteilte Marko L. erstmals verhaftet worden: Der Ringer war nach einem Wettkampf in Köln noch in der Sporthalle festgenommen worden. Bernhard Günther hatte ihn zuvor auf Facebook-Fotos erkannt, die seinen Anwälten vom anonymen Hinweisgeber übermittelt worden waren. Für eine oder zwei Sekunden habe er bei dem Säureanschlag in das unmaskierte Gesicht des Mannes geschaut, so Günther. Vor allem an den lockeren Seitenscheitel erinnere er sich, Günther sprach von einem „Klick-Moment“.

Schon vor dem Prozess und auch nach dem Schuldspruch gegen Marco L. ist es vor allem eine Frage, die den Haaner Topmanager, der mittlerweile für den finnischen Energieversorger Fortum tätig ist, bis heute umtreibt: Wer hat den Säureanschlag gegen ihn in Auftrag gegeben? Marco L. und auch Nuri T. hält er für Handlanger, hinter denen es aus seiner Sicht mehrere Mittelsmänner und einen Auftraggeber geben müsse. Letzteren sieht er in der Führungsetage von RWE, der Name steht seit Jahren in den Ermittlungsakten.

(tobi (mit dpa))