Gesetzesinitiative im Landtag Öffentliche Bibliotheken sollen in NRW auch sonntags öffnen

Düsseldorf · Bisher gelingt die Sonnntags-Öffnung von Bibliotheken nur mithilfe externer Dienstleister. Ein Gesetzentwurf von CDU und FDP soll das in NRW ändern. Die Zeichen stehen gut.

Die große Stadtteilbibliothek in Mönchengladbach-Rheydt setzt mit ihren rund 100 000 Medien dank eines externen Dienstleisters schon seit Jahren auf regelmäßige Sonntagsöffnung. Foto: C. Skowski

Die Stadtteilbibliothek in Mönchengladbach-Rheydt hat seit acht Jahren auch sonntags geöffnet. Das Pilotprojekt war so erfolgreich, dass es 2016 in den Regelbetrieb überführt wurde. Konstant hohe Besucherzahlen wurden verzeichnet, eine wissenschaftliche Evaluierung der TH Köln ergab Ende 2014 für das Projekt die sehr gute Benotung 1,5.

Berufstätige, Familien, Jugendliche, gerade auch mit Migrationshintergrund: Die Bibliothek hat sich in der Zeit neue Besucher erschlossen und die Entwicklung zur interkulturellen Familienbibliothek durchlaufen. Das einzige Problem: Der Sonntagsbetrieb ist nur über einen externen Dienstleister möglich. Den Einsatz kommunaler Bibliothekare oder Fachangestellter verhindert das Arbeitszeitgesetz. In NRW will man dieses Problem jetzt umgehen.

Im April starteten CDU und FDP im Landtag eine gemeinsame Initiative. Unter dem derzeit im politischen Betrieb offenbar unvermeidlichen Positivschlagwort „Bibliotheksstärkungsgesetz“ gibt es eine zweifache Stoßrichtung: Durch eine Änderung des Kulturfördergesetzes soll zum einen die neue kulturelle Funktion und Bedeutung der Bibliotheken präziser gefasst werden. Mit Verweis darauf kann das Land dann zum anderen über die Bedarfsgewerbeverordnung die Sonntagsöffnung der Bibliotheken ermöglichen – ohne dass der Bund das Arbeitszeitgesetz geändert hat.

Fehlendes Fachpersonal führt zu Enttäuschungen

„Wir finden es außerordentlich begrüßenswert, dass das Land nicht darauf wartet, sondern selbst die Möglichkeit zur Sonntagsöffnung schafft“, sagt Brigitte Behrendt, Leiterin der Stadtbibliothek Mönchengladbach. Denn so erfolgreich das Rheydter Modell und so bemüht der Dienstleister auch sind, der Verzicht auf Fachpersonal führt auch immer wieder zu Beschwerden und Enttäuschungen. So können sich Besucher sonntags keinen Ausweis ausstellen lassen. „Das widerspricht unserem Ansatz, ein niederschwelliges Angebot zu sein und jedem alles zu ermöglichen.“ Und junge Menschen, die die Bibliothek gerade sonntags intensiv als Lernort nutzen, könnten qualifizierte Beratung dann gut gebrauchen.

Zwar haben die Grünen im Februar auch auf Bundesebene eine Initiative gestartet, um im Arbeitszeitgesetz die Sonntagsöffnung der knapp 10 000 öffentlichen Bibliotheken in Deutschland zu ermöglichen. „Öffentliche Bibliotheken sind keine reinen Ausgabestellen für Bücher. Sie sind Aufenthaltsort, Lernort und Begegnungsort“, heißt es in dem Antrag. Aber in NRW will man schneller zum Ziel kommen, ohne sich dabei einer späteren bundesweiten Lösung zu verschließen.

Bei einer Sachverständigen­anhörung vor der Sommerpause fiel die Zustimmung der Experten zu den Plänen breit aus. Der Verband der Bibliotheken des Landes NRW stellte sich hinter das Vorhaben, ebenso der Berufsverband Information Bibliothek als Vertreter der Beschäftigten. Auch die Kirchen sehen keine Konkurrenz zu den landesweit gut 1200 kirchlichen öffentlichen Büchereien, die traditionell ehrenamtlich sonntags rund um die Gottesdienste geöffnet sind. Der Gesetzentwurf fördere „die konsequente Weiterentwicklung der öffentlichen Bibliothek als niedrigschwelliger, konsumfreier und öffentlicher Begegnungs- und Kulturraum“, heißt es in der Stellungnahme des Katholischen und des Evangelischen Büros NRW.

Eine klare Ablehnung gab es nur von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi – weniger für die gesetzliche Neufassung der Bibliotheksaufgaben, umso mehr aber für die Absicht, „die Sonntagsruhe der Beschäftigten zur Disposition zu stellen“. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, Angebote der Bibliotheken online zu finden, auszuleihen oder herunterzuladen, bedürfe es keiner Sonntagsöffnung.

Spitzenverbände sehen reichere Kommunen im Vorteil

Die kommunalen Spitzenverbände stützen zwar die Stärkung der Bibliotheken als „Dritte Orte“ für das soziale Miteinander, Bildung und Kultur, wollen aber nicht an der grundsätzlichen Aufgabenverteilung kommunaler Kultureinrichtungen rütteln. So seien für Weiterbildung weiterhin vor allem die Volkshochschulen zuständig. Zugleich prognostizieren die Verbände, dass die Sonntagsöffnung wegen der zusätzlichen Kosten tendenziell nur in finanzstärkeren Kommunen umgesetzt werden könne.

Einwände, die die Bibliotheksleiterin Behrendt nicht überzeugen: „Mönchengladbach ist wirklich keine reiche Kommune.“ Zwar sei das Problem bei knappen Ressourcen „nicht einfach zu lösen und ohne zusätzliches Personal nicht denkbar“.

Aber Lösungsansätze hat sie schon mehrere: die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos; den Einsatz von Mitarbeitern in Elternzeit, die über den Sonntagseinsatz den Kontakt zur Berufswelt halten könnten; die Schaffung von Kapazitäten durch vermehrten Technikeinsatz in Verbindung mit Personalverschiebungen von besucherärmeren Tagen. Nur eines soll es auf keinen Fall geben: „Dass wir für den Sonntag neben unserem bisherigen Schließungstag einen weiteren Tag in der Woche schließen.“

Vom Sonntag in der Bibliothek hält Behrendt große Stücke: „Das ist oft der einzige Tag, an dem die Familien die Muße dafür haben. Und bei uns in Rheydt ist die Bibliothek dann auch in der gesamten Innenstadt der einzige Ort, der nicht kommerziell ist.“ Der Gesetzentwurf in NRW stellt die öffentlichen Bibliotheken in eine Reihe mit Musik, Theater, Film und Museen – als Ort „familiärer Sinnstiftung und Begegnung“, aber auch als „Forum interkultureller Erziehung und Integration“. Die Rheydter Einrichtung hat den Praxistest bereits bestanden – als kleiner Baustein eines größeren Stadtentwicklungskonzepts, das den Mönchengladbacher Stadtteil mit seinem hohen Migrantenanteil stabilisieren sollte.

Die Chancen, dass bald alle landesweit 260 öffentlichen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft die Möglichkeit haben, sich auf dem Sonntagsfeld auszuprobieren, stehen gut. Die Auswertung der Anhörung läuft. „Unsere Experten gehen von einer Verabschiedung des Gesetzes noch in diesem Jahr aus“, sagt Dirk Herrmann, Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion.