Tokio Olympia 2032: Tokio 2020 als Vorbild für Rhein-Ruhr?

Tokio · Eine Düsseldorfer Delegation informierte sich in Japan über die Spiele 2020. Manche Bedingungen ähneln denen in NRW – beim Feuer für Olympia ist es anders.

Redakteur Alexander Schulte in Tokio: Die Olympischen Ringe vor dem Nationalstadion sind schon aufgebaut.

Foto: Tokio

. Die Höflichkeit der Japaner insbesondere gegenüber Gästen aus dem Ausland ist sprichwörtlich, lässt aber durchaus Raum für kleine, subtile Bosheiten. Als sich jetzt eine Delegation aus Düsseldorf mit OB Thomas Geisel an der Spitze im 42. Stock des Rathauses von Tokio über das Verkehrskonzept für die olympischen Spiele 2020 beugte, legten die Japaner ganz oben auf die Unterlagen ein schlichtes Papier, das neben zwei Gebietskarten kommentarlos die Größenverhältnisse klarstellte: Düsseldorf 600 000 Einwohner, 217 Quadratkilometer Fläche; Tokio: 9,2 Millionen Einwohner, 619 Quadratkilometer. Nun, die Düsseldorfer blickten höflich darüber hinweg und wiesen nur beiläufig darauf hin, dass es für 2032 eben nicht um die (mögliche) Bewerbung ihrer Stadt, sondern um die einer ganzen Region mit zehn Millionen Einwohnern und 14 Städten geht: Olympia „Rhein Ruhr City 2032“.

So gesehen sind die Dimensionen also ganz ähnlich. Doch bahnbrechende Erkenntnisse oder Ideen, wie man bei Olympia den totalen Verkehrskollaps vermeidet, konnten die Deutschen nicht von den Verkehrsstrategen Nippons mitnehmen. Was erstaunlich ist, schließlich gehören der Stau auf den Straßen und die – zumindest im Berufsverkehr – überfüllten U-Bahnen und Regionalzüge auch ohne Olympia zu den größten Problemen der Mega-Metropole. Und im nächsten Sommer erwartet man in Tokio „on top“ 11 000 Athleten und 7,8 Millionen Besucher bei Olympia; sowie 4400 Athleten und 2,3 Millionen Zuschauer bei den Paralympics danach.

Gemessen an dieser Herausforderung nehmen sich die bis jetzt vorgelegten Strategien bescheiden aus. Neue Straßen und Schienen sind gar nicht gebaut worden. Sonderspuren für Sportler und Offizielle zu den Wettkampfstätten, die in Japan (ganz ähnlich wie an Rhein und Ruhr) bis zu 60 Kilometer vom olympischen Dorf in Tokio entfernt sind, soll es auch nicht geben. Und erst recht nicht werde wieder eine halbe Stadt einfach abgesperrt wie beim G20-Gipfel in Osaka Ende Juni, betont Tokios Stadtregierung. Dafür finden sich in den Dossiers jede Menge Appelle an Unternehmen und ihre Mitarbeiter: So viele wie irgend möglich mögen doch bitte Urlaub nehmen zwischen dem 24. Juli und 9. August. Oder zumindest ganz viel im „Home office“ arbeiten, um Straßen und Schienennetz zu entlasten. Da konnte sich Düsseldorfs Messechef Werner Dornscheidt den Hinweis nicht verkneifen, dass solche Rezepte schon 2004 in Athen und 2008 in Peking verordnet worden sind – ohne durchschlagenden Erfolg.

Blick auf das neue Nationalstadion, einem Rugby- und Fußballstadion mit Leichtathletikanlage.

Foto: dpa/Birgit Egarter

Tokio kämpft mit Kostenexplosion und der Hitze im Sommer

Tatsächlich klingen die visionären Konzepte eines Professor Günther Schuh aus Aachen mit „digitalen Kettenreaktionen“ in der E-Mobilität und hochautomatisiertem Fahren für „Rhein Ruhr City“ bei weitem spektakulärer. Wobei man jedoch dazu erwähnen muss, dass Tokio beim Ausbau des Zugnetzes samt fahrerlosen Zügen ebenso schon viel weiter als NRW ist wie bei der Erweiterung des – konsequent mautpflichtigen – Schnellstraßennetzes in der Stadt und in die Nachbarpräfekturen. Vergleichbare (und bessere) Züge wie den Rhein-Ruhr-Express (RRX), der hier seit 14 Jahren diskutiert und geplant, aber nicht wirklich auf die Schiene gesetzt wird, gibt es im Großraum Tokio längst.

Blick auf den Odaiba Marine Beach, der während der Olympischen Spiele 2020 in Tokio Austragungsstätte für Triathlon und Freiwasserschwimmen-Wettbewerbe sein soll.

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Und was es – im Gegensatz zu NRW – natürlich auch längst gibt, ist eine große Begeisterung für „Tokio 2020“. Das behaupten nicht nur die Macher der Spiele, sondern auch eher kritische Zeitungen. Und das bestätigt die Deutsche Botschaft in Tokio in einem Hintergrundgespräch mit dieser Zeitung. Freilich gelte das mehr in der Metropolregion Tokio und deutlich weniger in den entfernteren Teilen Japans, wo viele Bürger laut Umfragen nur wenig mit dem Riesenereignis anfangen können.

Das so technikbegeisterte Land hat versprochen, jegliche Gigantomanie zu vermeiden, propagiert werden nachhaltige Spiele. Als Symbol dient dafür das Olympiastadion, das auf dem Boden des alten Nationalstadions der Spiele von 1964 neu gebaut wird. Die Fassade ist teilweise mit Holz verkleidet und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Und die Medaillen sollen aus altem Elektroschrott recycelt werden. Demgegenüber sprechen Kritiker von einer Kostenexplosion, das Gesamtbudget für Olympia soll mittlerweile bei mehr als 30 Milliarden Euro liegen – dem vierfachen des ursprünglich geplanten, hieß es dieser Tage in der „Japan Times“. Mehr Sorgen als die Finanzen machen dem Organisationskomitee indes die Temperaturen. Nach dem zweiten Hitzesommer hintereinander mit oft 33 Grad im Schatten plus hoher Luftfeuchtigkeit sorgt man sich um die Gesundheit der Sportler. Deshalb wird nun gar erwogen, Eis-Sprüh-Maschinen in den Stadien einzusetzen.

Bekenntnisse zu Olympia an Rhein und Ruhr bleiben zaghaft

An Rhein und Ruhr hingegen müssten eher Brandbeschleuniger gelegt werden. Denn hier sind ebenso wie beim letztlich maßgeblichen DOSB noch zu wenig Akteure wirklich Feuer und Flamme für Olympia 2032. Sicher, in Tokio sprach sich Düsseldorfs OB Thomas Geisel deutlich für eine Bewerbung der Region aus, wobei auch er dafür ein Bürgervotum als zwingend erforderlich ansieht. Aber sein gerade erst installierter Düsseldorfer Olympia-Beauftragter Pascal Heithorn war vorsichtshalber nicht nach Tokio mitgeflogen. Und Christoph Dammermann, Staatssekretär im NRW-Wirtschafsministerium, bestätigte am Rande eines Investmentseminars in Tokio eher pflichtschuldig, dass die Landesregierung die private Olympiainitiative des Sport- und Eventmanagers Michael Mronz „sehr nachhaltig“ unterstütze. Da hatte Ministerpräsident Laschet im Frühjahr deutlich mehr Begeisterung gezeigt. Nur: So langsam müsste man mal über Absichtserklärungen für eine eventuelle nationale Bewerbung hinauskommen. Die Entscheidung, wer die Spiele 2032 ausrichtet, fällt 2025. Gibt es einen deutschen Mitbewerber (Berlin ist noch im Rennen) müsste spätestens 2021 Klarheit herrschen, um dann die detallierten Kriterienkataloge des IOC abarbeiten zu können.

Doch nach den Bürgerentscheiden gegen Winterspiele in München und Sommerspiele in Hamburg spielen Politik und DOSB das Thema Olympia nur noch vorsichtig und am liebsten hinter vorgehaltener Hand. Auch weil die Gefahr, am Ende durchzufallen groß ist – wenn zum Beispiel tatsächlich die beiden Koreas vereint in den Ring steigen.

Dabei liegt auf der Hand, dass allein die offizielle Bewerbung um die Spiele an Rhein und Ruhr einen gewaltigen Investitionsschub in die Infrastruktur auslösen würde. „Ich glaube, dann würde sogar der RRX bis 2032 rollen“, sagt OB Thomas Geisel.