Rechtsextreme Chats Auf Reul kommen viele Fragen zu
Düsseldorf · Die Entdeckung fünf rechtsextremer Chatgruppen in der Polizei ist nicht der einzige Vorfall bei der NRW-Polizei. Schon vorher hat es rechtsextremistische Vorfälle in den Reihen der Beamten gegeben. Auf Innenminister Reul kommen Fragen zu.
Nach einer Serie von rechtsextremistischen Vorfällen bei der nordrhein-westfälischen Polizei hat Innenminister Herbert Reul (CDU) eingeräumt, das Ausmaß unterschätzt zu haben. Vorfälle etwa in Aachen, Hamm, Gelsenkirchen und die jetzt enttarnte Chatgruppe hätten gezeigt: „Offenbar haben wir nicht alles erkannt, vielleicht sogar auch die Dimension unterschätzt“, sagte Reul am Donnerstag im Landtag.
Wegen Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten sind inzwischen laut Reul 30 Polizisten in NRW suspendiert worden. Die Suspendierung einer Beamtin sei noch hinzu gekommen. Insgesamt waren fünf rechtsextreme Chatgruppen aufgedeckt worden. 14 Beamte sollen aus dem Dienst entfernt werden.
„Die Dimension und diese Abscheulichkeiten habe ich nicht für möglich gehalten“, sagte Reul. Es handele sich „um übelste, widerwärtigste neonazistische Hetze“. Reul betonte: „Wir werden das aufarbeiten, radikal und bis ins kleinste Detail.“ Bei den Durchsuchungen am Mittwoch seien 43 Telefone, 19 SIM-Karten, 21 USB-Sticks, 20 Festplatten, 9 Tablets und 9 PCs sowie eine geringe Menge Betäubungsmittel beschlagnahmt worden.
Die Dimension des Falls sei noch nicht absehbar, sagte der CDU-Politiker weiter. Er betonte aber: Auf die große Mehrheit der rund 50 000 Polizisten und Polizistinnen in NRW sei Verlass. „Das Gros der Beschäftigten in der Polizei ist absolut integer.“
Man müsse sich aber fragen, warum die Chatgruppen, die teils seit 2012 existierten, nicht früher aufgefallen seien. Ein Problem sei, dass es sich bei den Gruppen um abgeschlossene Kommunikationskanäle handele. In einigen Bereichen der Polizei gebe es auch ein „Haltungsproblem“ und die Angst, Freundschaften zu verlieren, wenn man nicht zu den Umtrieben schweige. Die Botschaft aber sei: „Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“
Reul will nun ein Lagebild zum Rechtsextremismus bei der Polizei erstellen lassen. Mit Blick auf die Schwierigkeit, geschlossene Chatgruppen aufzudecken, dürfe man sich davon aber keine Wunder versprechen, sagte er.
SPD und Grüne warfen Reul vor, beim Thema Rechtsextremismus in der Polizei zu lange „Scheuklappen“ aufgehabt zu haben. „Man kann schon lange nicht mehr von Einzelfällen sprechen“, sagte die Grünen-Politikerin Verena Schäffer. Mindestens 21 Verdachtsfälle seien bei der NRW-Polizei bekannt geworden. Sie verwies etwa auf einen Verwaltungsmitarbeiter bei der Polizei Hamm, der einer rechtsterroristischen Gruppe zugerechnet werde, und zwei Beamte vor der Aachener Synagoge, gegen die wegen „Heil-Hitler“-Rufen auf dem Smartphone ermittelt wurde. Die allergrößte Zahl der Beamten sei aber demokratisch und verfassungstreu. „Aber offenbar hat die Polizei ein strukturelles Problem.“
Der SPD-Abgeordnete Sven Wolf verwies auf den Flyer der Identitären Bewegung, der 2019 in einem Polizeibus in Duisburg gefunden worden sei. Er forderte, den von Reul eingesetzten Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der NRW-Polizei als ständigen Sonderermittler einzusetzen. Politisch müsse alles getan werden, „um den Beamten auf der Straße, die nichts mit solchen Vorwürfen zu tun haben, den Rücken zu stärken“. Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke sage, falsch verstandener Korps-Geist müsse durchbrochen werden in der Polizei.
AfD-Fraktionschef Markus Wagner sprach mit Blick auf die Chatgruppen von „menschenverachtenden Entgleisungen“, die nicht zu entschuldigen seien. „Wir dürfen Extremisten und Verfassungsfeinde bei der Polizei nicht zulassen.“