Terrorverdacht Remscheider Sozialarbeiter Adil Demirci in Türkei vor Gericht

Istanbul · Der Remscheider Sozialarbeiter und Journalist Adil Demirci steht in der Türkei vor Gericht. Der Vorwurf lautet Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wie häufig in letzter Zeit.

Der Justizpalast Caglayan in Instanbul.

Foto: dpa/Lefteris Pitarakis

Nach sieben Monaten in Untersuchungshaft steht am Dienstag in der Türkei erneut ein Deutscher wegen angeblicher Verbindungen zu Terroristen vor Gericht. Der Remscheider Sozialarbeiter und Journalist Adil Demirci war im April in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci, der als freier Mitarbeiter auch für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben hat, unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation. Demirci steht einen Tag vor seinem 33. Geburtstag vor Gericht. Aus dem Auswärtigem Amt hieß es, Generalkonsul Michael Reiffenstuel werde den Prozess beobachten.

Der Anklageschrift zufolge hat Demirci „im Namen der MLKP“ in den Jahren 2013 bis 2016 an „unerlaubten Demonstrationen mit Molotov-Cocktails“ teilgenommen, außerdem an Gedenkveranstaltungen für getötete Mitglieder, die in Propagandaveranstaltungen ausgeartet seien. Es handelte sich den Gerichtsakten zufolge teilweise um Zeremonien für Mitglieder der bewaffneten Fraktion der Organisation, die in Syrien gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft hatten.

Demirci weist alle Terrorvorwürfe zurück, hat aber zumindest laut Anklageschrift zugegeben, bei den Trauerzeremonien dabei gewesen zu sein. Bei seiner Festnahme soll Demirci für einen Kurzurlaub in Istanbul gewesen sein. Die Behörden fanden ihn offenbar auf eine Anzeige hin, in welcher der Absender die Adresse seiner Verwandten sowie sein Abreisedatum vermerkt hatte. Solche oft anonym verschickten Denunziationen spielen in vielen ähnlichen Fällen eine Rolle.

Der Prozess gegen Demirci ist der dritte gegen deutsche Staatsbürger wegen „Terrorvorwürfen“ innerhalb kurzer Zeit. Erst vor einer knappen Woche hatte ein Gericht eine Sängerin mit kurdischen Wurzeln aus Köln zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verurteilt. Sie wird in der Türkei und Europa als Terrororganisation eingestuft. Ende Oktober hatte ein Gericht auch den Deutschen Patrick K. wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu mehr als sechs Jahren verurteilt. Ein Anklagepunkt gegen K. lautete, dass er der in Syrien aktiven kurdischen Miliz YPG eine E-Mail geschrieben und sich ihr als Kämpfer angeboten habe. Die YPG steht der PKK nahe.

Im vergangenen Jahr hatte eine Serie von Festnahmen deutscher Staatsbürger zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Verurteilt wurden damals aber nur wenige der Festgenommenen. Dagegen wurden mehrere prominente Untersuchungshäftlinge - darunter der „Welt“-Reporter Deniz Yücel, der Menschenrechtler Peter Steudtner und die Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu - ab Ende 2017 freigelassen und durften ausreisen. Das werteten Beobachter als ein Zeichen des Entgegenkommens der türkischen Regierung, welche die gespannten Beziehungen zu Deutschland wieder entspannen möchte. Deutsche Politiker betonen jedoch, dass es keine „Normalisierung“ geben könne, solange noch Bundesbürger „aus politischen Gründen“ in Haft seien. Das Auswärtige Amt zählt derzeit fünf Betroffene.

Der Aktivist und Autor Günter Wallraff, der als Mitglied des Solidaritätskreises „Freiheit für Adil“ beim Prozess dabei sein wird, sagte der dpa: „Wenn hier Entwarnung gegeben wird, ist das Selbsttäuschung.“ Er sehe keine grundlegende Verbesserung der Menschenrechtssituation in der Türkei. „Kommt mal jemand frei, wird neu verhaftet.“ Außerdem reisen die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel und der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich nach Istanbul, wie ihre Büros bestätigten.

(dpa)