Knechtstedener Bibliothek Kloster beherbergt Dormagens ältestes Buch

Knechtsteden. · In Knechtsteden liegt ein 529 Jahre altes theologisches Hauptwerk des heiligen Augustinus.

Das Buch von 1490 befindet sich in einem sehr gut erhaltenen Zustand. Der große Holzschnitt (l.) zeigt oben den heiligen Augustinus und darunter zwei Städte: links das himmlische Jerusalem, rechts das sündige Babylon.

Foto: Stephan Zöller

Das älteste Buch in Dormagen ist so wertvoll, dass es in einem mannshohen Tresor aufbewahrt wird. Pater Hermann Josef Reetz nimmt den Band vorsichtig aus dem Stahlschrank und legt ihn auf einen Tisch. „Als dieses Werk gedruckt wurde, war Amerika noch nicht entdeckt“, sagt der 76-jährige Spiritaner in der Klosterbibliothek Knechtsteden.

Reetz öffnet auf der rechten Seite die beiden Metallschließen, die die Buchdeckel aus Rindsleder zusammenhalten. Der dunkelbraune Einband ist 34 mal 22 Zentimeter groß, also ein bisschen größer als ein DIN-A4-Blatt. Der langjährige Rektor der Basilika schlägt das Buch auf. In lateinischer Sprache steht dort „Augustinus De civitate Dei cum commento“, darunter die Jahreszahl 1490. „Diese Worte nennen uns den Autor, den Titel und die besondere Art dieser Ausgabe“, erklärt Hermann
Josef Reetz.

Die Augustinus-Ausgabe wurde
im Jahr 1490 in Basel gedruckt

Mit Augustinus ist der heilige Augustinus von Hippo (354 bis 430) gemeint, ein bedeutender Kirchenlehrer und Theologe. Eines seiner Hauptwerke ist „De civitate Dei“ (Vom Gottesstaat), das aus 22 Büchern besteht. „Unsere Augustinus-Ausgabe wurde 1490 in Basel gedruckt und ist besonders wertvoll, weil es sich um eine Inkunabel handelt“, betont Pater Reetz. Als Inkunabeln oder Wiegendrucke werden Exemplare bezeichnet, die in den Anfängen der Buchherstellung von 1454 bis 1500 entstanden. Die Inkunabel der Spiritaner ist das vermutlich älteste Buch in ganz Dormagen. Das älteste gedruckte Buch, das im Archiv des Rhein-Kreises Neuss aufbewahrt wird, stammt von 1504.

Eine Kostbarkeit in dem rund 530 Jahre alten Band in Knechtsteden ist ein Holzschnitt, der fast eine gesamte Seite einnimmt. Oben sieht man Augustinus schreibend an seinem Pult. Darunter zwei Städte, durch einen Fluss getrennt. „Links ist das himmlische Jerusalem mit Engeln, rechts das sündige Babylon mit Teufeln“, sagt Reetz. Er blättert weiter zu einer ungewöhnlich gestalteten Seite. In der Mitte befinden sich zwei Druckspalten, die auf allen vier Seiten von weiteren Textspalten umgeben sind. Das „cum commento“ bedeutet: mit Kommentar. Die Anmerkungen von zwei Gelehrten laufen außen um den Augustinus-Text im Inneren herum. Der Drucker hatte nicht nur den Blocksatz perfekt erstellt, er gab auch den Buchmalern wichtige Hinweise.

Pater Hermann Josef Reetz deutet auf einen großen Anfangsbuchstaben, der mit roter Farbe kunstvoll gestaltet wurde. Wenn man genau hinschaut, erkennt man in der Initiale einen kleinen Buchstaben. „Der Illustrator, der vielleicht kein Latein beherrschte, konnte nicht wissen, um welchen Wortbeginn es geht. Der gewünschte Buchstabe wurde dezent vorgedruckt und anschließend übermalt“, verrät Reetz. Die Blätter im Augustinus-Buch haben keine Seitenzahlen. Der Nutzer konnte auf den rechten Seiten an den fortlaufenden römischen Ziffern wie XVIII (18) erkennen, wo er sich innerhalb der 22 Bücher des „Gottesstaates“ befand.

Im Mittelalter gab es keine bunten Textmarker. Ein Leser zeichnete in die Randspalte öfters eine kleine Hand. Der ausgestreckte Zeigefinger wies auf wichtige Stellen hin.

Wer selbst einmal einen Blick in alte Bücher werfen will: An jedem letzten Mittwoch im Monat findet um 20 Uhr ein Vortrag in der Klosterbibliothek statt. Dabei werden zum Thema passende Bände aus dem historischen Bestand vorgestellt.