Alle Ausschüsse abgesagt Politikbetrieb in Grevenbroich ist eingefroren
Grevenbroich. · Politologe Stefan Marschall warnt, dass dieser Zustand keine Dauerlösung sein dürfe.
Die Politik in Grevenbroich wird noch länger auf Sparflamme arbeiten. Bis Ende April sollen keine Präsenzsitzungen stattfinden. Das teilte die Stadt auf Anfrage mit. „Alle Fraktionen in Grevenbroich haben sich dieser Regelung angeschlossen“, sagt Stadtsprecherin Claudia Leppert.
Ursprünglich geplante Sitzungen fielen wegen des Coronavirus und des damit verbundenen Infektionsrisikos aus. Betroffen waren unter anderem die Sitzung des Planungsausschusses (17. März) sowie des Bauausschusses (24. März). Grundlage für diese Regelung sind Vorgaben des NRW-Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. „Der Gesundheitsaspekt wiegt schwerer als politische Präsenzsitzungen“, erklärt Leppert.
Dringliche Entscheidungen werden dennoch beraten. Dazu kommt in regelmäßigen Abständen der Ältestenrat zusammen, der aus den sieben Fraktionschefs der im Rat vertretenen Parteien und Wählergemeinschaften besteht. Per Videokonferenz empfahl der Ältestenrat zum Beispiel einstimmig, den Flächennutzungsplan zu ändern, um das geplante Lidl-Lager im Industriegebiet Ost schnell auf den Weg zu bringen. Der Ältestenrat dient der Abstimmung und Entscheidungsfindung, formelle Beschlüsse fasst das Gremium aber nicht. Dringlichkeitsbeschlüsse werden vom Bürgermeister und von einem Ratsmitglied unterschrieben.
Videokonferenz stellt
Beschlussfähigkeit sicher
„Vor Dringlichkeitsentscheidungen möchte ich aber eine Beteiligung aller Fraktionen im Rat, um eine größtmögliche Transparenz sicherzustellen“, betont Bürgermeister Klaus Krützen. „Die Möglichkeit der Videokonferenz garantiert eine schnelle Erreichbarkeit der wichtigen Entscheider, wodurch effizientes und sicheres Arbeiten im Home-Office gewährleistet wird.“ Dadurch sei die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Stadt sichergestellt. Obwohl derzeit nicht der gesamte Rat entscheidet, sieht die Stadt kein Demokratiedefizit. Gefasste Dringlichkeitsbeschlüsse müssten später „in öffentlichen Sitzungen bestätigt werden“, sagt Leppert. „Das Demokratieprinzip ist somit gewahrt.“
Der Politologe Stefan Marschall von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hält die Maßnahme der Stadt für angemessen. „Die Gemeindeordnung in NRW sagt, dass, wenn der Rat nicht zusammentreten kann, der Hauptausschuss seine Aufgaben für eine begrenzte Zeit übernehmen kann. Wenn auch das nicht möglich ist, kann der Bürgermeister zusammen mit einem Ratsmitglied entscheiden“, erklärt er. Andere Verfahren sehe die Gemeindeordnung nicht vor. Auch Marschall hält fest, dass solche Beschlussvorgänge keinesfalls einen Einschnitt in die Demokratie bedeuten müssen – und er bestätigt: „Die Entscheidungen können später vom Rat wieder rückgängig gemacht werden.“ Dennoch mahnt der Wissenschaftler an, dass Ratsentscheidungen nicht langfristig, sondern nur befristet an ein solches „Notparlament“ übertragen werden sollten.
Aus Sicht der Fraktionschefs von SPD, CDU und UWG ist der momentane Zustand alternativlos. „Wir haben da als Politiker eine Vorbildfunktion“, sagt Horst Gerbrand (SPD). Wichtige Entscheidungen seien bislang einstimmig gefallen. Wolfgang Kaiser (CDU) erklärt: „Die CDU hält sich strikt an das, was wir alle vereinbart haben.“ Klar sei aber auch, dass man so rasch wie möglich zum Normalbetrieb zurückkehren müsse. Carl Windler (UWG) sieht die Rechte der Opposition nicht beschnitten: „Im Sommer ist noch genug Zeit, Wahlkampf zu machen.“