Geschichtsforschung in Kaarst Kaarster recherchiert Geschehnisse beim Einmarsch der US-Truppen 1945

Kaarst. · Die Stadt veröffentlichte zudem eine Liste mit allen Kriegstoten aus Kaarst.

 Heinrich Leßmann vom Projektteam überreichte Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus die umfangreiche Liste.

Heinrich Leßmann vom Projektteam überreichte Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus die umfangreiche Liste.

Foto: Stadt Kaarst

Der 1. März 1945 ist ein Donnerstag. In knapp zwei Monaten wird der Krieg vorbei sein. Doch noch wütet er noch immer. An diesem Tag in Kaarst. Die amerikanischen Truppen rücken aus Glehn kommend nach Büttgen und Kaarst vor. Mit Flugzetteln hatten die US-Streitkräfte die Zivilbevölkerung gewarnt, damit es keine unnötigen Opfer gibt. Und dennoch sterben an diesem Tag Menschen durch den Beschuss.

Ein Projektteam der Stadt Kaarst unter der Leitung von Archivar Sven Woelke hat in der vergangenen Woche eine Liste veröffentlicht, auf der alle Kaarster Opfer des Zweiten Weltkriegs verewigt sind. Jahrelang wurde recherchiert, nun ist die Liste fertig. Und sie ist – so weit es geht – komplett: Sterbedatum, Sterbeort, Status des Toten und wenn möglich auch die Todesursache stehen in dem Dokument. 172 Tote des Kriegs sind aktenkundig, mehr als 200 Einzelschicksale wurden untersucht. Johannes Schmitz, mittlerweile verstorben, hatte das Projekt initiiert, es wurde durch den ebenfalls verstorbenen ehemaligen Stadtarchivar Peter Brinkmann forgesetzt.

Nun ist das Projekt abgeschlossen. „Diese Liste ist eine umfassende Datensammlung aller Kriegstoten und zeigt, dass auch Kaarst durch den Krieg großes Leid in den Familien ertragen musste. Die Recherchen waren mühsam, jetzt haben wir aber eine verlässliche Datenlage“, sagt Woelke.

Wer etwas über das Ende des Kriegs wissen möchte, muss nur Wingolf Scherer fragen. 1945 war er 20 Jahre alt und am 1. März, als die Amerikaner die Stadt Kaarst einnahmen, führte er die Nachhut einer Kompanie über die „Hohe Acht“ in der Eifel nach Andernach. Nach dem Krieg fing Scherer an, sein Wissen mit der Nachwelt zu teilen. Er sprach mit Zeitzeugen – darunter Zivilisten, Soldaten und Kinder. Er hat auch eruiert, was genau in Kaarst am 1. März passiert ist – jedenfalls kämen seine Aufzeichnungen der Wahrheit „ziemlich nahe“, wie er sagt.

Am 1. März 1945 starben bis
zu neun Menschen in Kaarst

„Die ‚Operation Grenade’ hatte das Ziel, den Rhein zu erreichen. Und zwar zwischen Köln und Krefeld. Dazu zählten auch die Städte Neuss und Düsseldorf“, sagt er. Ende Februar 1945 näherte sich die 83. US-Infanterie-Division Büttgen. „Diese Division hat als erste den Rhein erreicht und erhielt später den Spitznamen ‚First of the Rhein’“, sagt Scherer. Von Büttgen aus sollte sie eigentlich direkt zum Rhein marschieren, erhielt aber dann den Befehl, nach Norden vorzustoßen, um einen Angriff der Amerikaner zu unterstützen. Daher mussten die Truppen erst einmal den Nordkanal überqueren. „Der Nordkanal war die Verteidigungslinie der deutschen 338. Infanterie-Division“, sagt er: „Am Morgen des 1. März erreichten die Amerikaner ziemlich schnell den Nordkanal. Am Nachmittag haben sie einen Brückenpanzer in den Kanal hineingefahren. Dann war Kaarst besetzt“, sagt Scherer. Die deutschen Soldaten, die nicht in Gefangenschaft gerieten, zogen Richtung Furth ab, um bei der Verteidigung der Stadt Neuss zu helfen.

Höchstens neun Menschen starben laut Scherer an jenem 1. März 1945. „Es könnten aber auch weniger gewesen sein“, sagt er. Woher er das alles weiß? „Ich habe ausführlich Augenzeugen befragt. Viele konnten sich exakt erinnern“, sagt Scherer: „Die Aussagen kommen der Wahrheit zumindest sehr nahe. Eine hundertprozentige Sicherheit kann man nicht haben.“