Die letzten Filme von der Rolle

Noch an vier Tagen laufen in Kaarst die Filme vom Band. Ab dem kommenden Jahr soll auf digitale Technik umgestellt werden.

Kaarst. Oft wird er diesen Teil seines Jobs nicht mehr machen. Marijn Groenendijk geht zu seinem Wagen, den er hinter dem Albert-Einstein-Forum am Schulzentrum geparkt hat, holt zwei große Filmrollen und trägt sie in den kleinen Vorführraum.

1800 Meter Film befinden sich auf jeder Spule, insgesamt 25 Kilogramm wiegen sie zusammen. Noch an vier Tagen in diesem Jahr werden im Kino Kaarst die Filme vom Band laufen, anschließend wird auf digitale Technik umgestellt. „Die 45 000 Euro für den neuen Projektor sind im Haushalt der Stadt veranschlagt“, sagt Kulturmanager Klaus Stevens.

Schon jetzt ist es für die Kinobetreiber schwer, an die analogen Filme der Verleiher zu kommen. „Es werden nur noch wenige Kopien hergestellt“, sagt Groenendijk, „und die letzten analogen Kinos streiten sich um die wenigen Kopien, die verfügbar sind“. Doch er sieht auch die Vorteile der Umstellung.

„In Zukunft können wir hier schon zwei Wochen nach Erscheinen Filme zeigen — so früh wie noch nie.“ Der Arbeitsaufwand für ihn wird durch die neue Technik allerdings nicht weniger: Die Leinwand auf der Bühne muss weiterhin heruntergelassen werden, die Vorhänge zugezogen, die Kinokasse mit Snacks und Getränken aufgebaut und Karten verkauft werden. Auch die Pause in der Mitte des Films wird es wohl zukünftig geben.

Im Gegensatz zu größeren Kinos gibt es in Kaarst nur ein Abspielgerät. Ist die erste Rolle am Ende, schaltet Groenendijk das Licht an, wechselt auf die zweite Spule, verkauft nebenbei Snacks und Getränke und lässt die Rolle weiter laufen, wenn wieder alle Zuschauer auf ihren Plätzen sitzen. „Das hat sich bei den Gästen so eingespielt, die wollen die Pause — auch wenn sie in Zukunft gar nicht mehr nötig wäre.“

Für den Meerbuscher zieht sich das Thema Kino bereits durch sein ganzes Leben. Seine Mutter war 30 Jahre lang mit Helmut Kettler verheiratet, der die Kinos „Souterrain“ und „Bambi“ in Düsseldorf und später das Hitch in Neuss betrieben hat. „Deswegen war Kino bei uns zu Hause immer ein Thema“, sagt Groenendijk. Schon während seiner Abiturzeit vor zehn Jahren hat er nebenbei im Kino gejobbt und Kurzfilme gedreht. Inzwischen promoviert der Germanist an der Heinrich-Heine-Universität — und hat auch dafür ein filmwissenschaftliches Thema gewählt.

Die Umstellung auf die neue Technik betrachtet er deswegen auch mit ein bisschen Wehmut. „Die alte Technik war 100 Jahre nur im Kino zu finden. Jetzt ist es digital wie überall“, sagt er. Mit den neuen Projektoren verschicken die Filmverleiher nur noch Festplatten an die Kinos, die auf das System gespielt werden können — so unproblematisch, wie am heimischen Computer. Anschließend wird die Festplatte zurückgeschickt und ist sofort wieder verleihbar.

Das Umspulen der Filme, das Einbauen des Pausenzeichens am Ende der ersten Rolle und das Wechseln der Rollen entfällt zwar — das Kopieren der digitalen Filme dauert dafür aber genau so lang wie der Film selbst.

„Noch läuft das in Echtzeit“, sagt Groenendijk. Für ihn bedeutet die neue Technik also wahrscheinlich sogar längere Arbeitszeiten. Und das Rattern der alten Philips FP5 aus den 60er Jahren wird ihm fehlen. „Ein analoges Vorführgerät werden wir aber in Neuss behalten. Für den Fall, dass doch noch mal ein Film vom Band gezeigt werden soll.“