Rafael Seligmann zu Gast in Kaarst „Zeigen, dass Deutschland stark und wehrhaft ist“

Kaarst · Der Publizist Rafael Seligmann sprach am Tag der Deutschen Einheit in Kaarst zum Thema „Demokratie unter Druck“. Sein Vortrag gipfelte in dem Satz: „Wir brauchen Optimismus, müssen unsere Ängste bewältigen.“

Der Schriftsteller und Politologe Rafael Seligmann referierte im Kaarster Rathaus zum Thema „Demokratie unter Druck“.

Foto: Wolfgang Walter

Rafael Seligmann ist Schriftsteller, Publizist, Politologe, Zeithistoriker und Jude. Der heute 76-Jährige kam 1957 mit seiner Familie von Israel nach Westdeutschland. Jetzt sprach er als Gast einer Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit im Kaarster Rathaus zum Thema „Demokratie unter Druck“. Dabei warb Seligmann dafür, Demokratie auszuhalten und nicht den einfachen Parolen von AfD oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf den Leim zu gehen. Außerdem forderte er Einschnitte bei der Flüchtlingspolitik. Die Aufnahme von rund einer Million Flüchtlinge im Jahre 2015 bezeichnete er als „Wiederbelebungsprogramm der AfD“.

Bürgermeisterin Ursula Baum konnte sich über die große Resonanz freuen. Im Atrium des Rathauses sollte kein Platz mehr frei bleiben, viele Bürgerinnen und Bürger hörten von den oberen Etagen aus im Stehen zu. „Populisten sind die größte Gefahr für die Demokratie“, gab sie zu bedenken.

Der Begriff „Demokratie“ stand eindeutig im Mittelpunkt – verständlich in Zeiten, in denen radikale Parteien Hochkonjunktur haben. Seligmann hat kein Verständnis für das „Gejammere und Gejaule“ aus der früheren DDR: „Im Vergleich mit Ländern wie Tschechien und Polen haben die Menschen dort so schlecht nicht abgeschnitten.“ Dass die Demokratie derzeit unter Druck steht, beunruhige ihn nicht sonderlich: „Demokratie ist kein Wunschkonzert. Und Druck gehört zum Leben dazu. Wenn ein Herz keinen Druck mehr macht, ist man tot.“

Eine Demokratie sei langsamer als eine Diktatur, da dort Entscheidungen schneller getroffen werden können, sagte der Referent. Weil sie langsamer ist, begünstige sie auch Populisten.

Sahra Wagenknecht bezeichnete der Festredner als Quacksalberin, die man nicht wählen sollte. Wenn zwei Drittel der Menschen diese beiden Parteien nicht wählen, sei kein Anlass gegeben, die Flinte ins Korn zu werfen: „Es ist nicht 12.15 Uhr, nicht mal 11.45 Uhr. Parteien wie die AfD oder das BSW würden keine Bedeutung erlangen, wenn sie keine Mitläufer finden. Seligmann sprach von „lächerlichen Figuren“, die eine Gesellschaft aber auseinanderreißen können.

Er ging zurück ins Jahr 1923, „als ein österreichischer Schreihals in Berlin mit dem großen Saubermachen anfangen wollte“. Seligmann drückte seine Anerkennung dafür aus, wie sich die Menschen in der DDR völlig unblutig die Freiheit erkämpften. Und er lobte einen Mann, der als Birne oder Provinzonkel verunglimpft wurde: nämlich Bundeskanzler Helmut Kohl. „Er hat die Einheit sehr schnell organisiert.“

Das Verdienst von Kohls Nachfolger Gerhard Schröder sei, „dass er die deutsche Wirtschaft wieder stabilisiert hat.“ Wirtschaft erfordere Fleiß, aber auch Einschränkungen. So wichtig der Sozialstaat auch ist, er hat auch seine Grenzen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel die „Ingenieurin der Macht“, habe sich als Pflegerin der Gesellschaft bewiesen, Ost und West näher zusammengebracht. Sie sei aber auch Bremserin gewesen und Opportunistin. Große Fehler seien nach Putins Besetzung der Krim vor zehn Jahren mit ihrer Beschwichtigungspolitik gemacht worden, so Seligmann: „Das hat sich Putin sehr gut gemerkt, das hat ihn ermutigt, die Ukraine zu überfallen.“

Ein anderes Thema: Die Flüchtlingspolitik. Rafael Seligmann interpretiert Das Grundgesetz so, dass sich das Asylrecht nur auf einzelne Individuen bezieht, es könne beim besten Willen nicht auf alle Menschen angewendet werden. Die Aufnahme von zu vielen Flüchtlingen werde die Gesellschaft zerreißen.

Die „Ampel“ bezeichnete Rafael Seligmann als „interessantes Experiment“. Er warnte aber davor, zu schnell und zu radikal beim Klimawandel vorzugehen: „Die Menschen müssen sich mitgenommen fühlen. Wir müssen ihnen zeigen, dass Deutschland stark und wehrhaft ist.“ Seligmann sprach sich für die Einführung eines Pflichtjahres für junge Menschen aus, das auch bei der Bundeswehr abgeleistet werden kann. Sein Credo zum Schluss: „Wir brauchen Optimismus, müssen unsere Ängste bewältigen.“